Tim Göbel
Geschäftsführer der Schöpflin Stiftung
Die Schöpflin-Stiftung engagiert sich mit ihrem Schwerpunkt Medien & Gesellschaft seit Jahren aktiv in der Förderung gemeinnütziger und gemeinwohlorientierter Journalismusprojekte. Welche Schwierigkeiten sehen Sie aus Förderperspektive in diesem Bereich als besonders virulent?
Ein großes Problem für uns als Stiftung ist, dass Journalismus steuerrechtlich nicht als gemeinnützig anerkannt ist. Hierdurch wird uns die Förderung erschwert, da wir auf Hilfskonstruktionen ausweichen müssen, indem zum Beispiel Organisationen auch Bildungsangebote in ihr Programm aufnehmen, um als gemeinnützig anerkannt zu werden. Dies ist im Ergebnis zwar eine wertvolle Arbeit, bindet jedoch Ressourcen und lenkt in manchen Fällen von der eigentlichen Mission ab. Zudem gibt es in diesem Bereich immer noch zu wenig Förderer, jedenfalls in Deutschland. Mit einer Gemeinnützigkeit wären für sogenannte Non-Profit-Medien nicht nur steuerliche Vorteile verbunden, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen. Es wäre für sie auch leichter, sich durch Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure oder durch die öffentliche Hand fördern zu lassen.
Welche Alternativen sehen Sie zu den medienpolitischen Bemühungen, Journalismus steuerrechtlich als gemeinnützigen Zweck im Sinne der Abgabenordnung anzuerkennen?
Wir sehen hier in der Tat wenig Alternativen und wünschen uns, dass die Regierung im Zuge der angekündigten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Journalismus als Satzungszweck in die Abgabenordnung aufnimmt. Kritische Stimmen führen ja unter anderem an, dass sich Journalismus im Falle einer Gemeinnützigkeit von staatlichen Stellen abhängig machen würde, da die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit eines journalistischen Angebots von der jeweiligen Finanzbehörde getroffen wird. Aber tatsächlich gibt es diese Abhängigkeit ja jetzt schon bzw. sie ist sogar noch ausgeprägter, da die Anerkennung der Gemeinnützigkeit aufgrund der unklaren Rechtslage im Ermessen einzelner Beamtinnen und Beamter liegt. So wurde zum Beispiel die rein journalistische Tätigkeit des international agierenden Recherchenetzwerk Investigate Europe gemäß der Förderzwecke „Förderung der Volksbildung“ und „Förderung internationaler Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens“ als gemeinnützig anerkannt. Dass das im Einzelfall mal klappt, ist schön, aber die Rechtsunsicherheit bremst Gründungsvorhaben aus und bedeutet für bestehende Organisationen ein Risiko, weil je nach Ermessenslage die Gemeinnützigkeit auch wieder aberkannt werden kann.
Wie wollen Sie dazu beitragen, dass journalistische Projekte ohne Gewinnerzielungsabsicht, aber mit einem hohen Qualitätsanspruch langfristig wirtschaftlich tragfähig werden können?
Wir müssen erreichen, die Rahmenbedingungen für qualitativ hochwertigen und unabhängigen Journalismus zu verbessern. Hierfür braucht es mehr institutionelle Förderung, die auch Capacity Building in nicht per se journalistischen Bereichen umfasst, wie etwa Businessplan-Kompetenzen oder Technologie-Expertise. Aktuell sind viele Redaktionen so prekär aufgestellt, dass sie sich neben dem Tagesgeschäft und der Sorge um die Finanzierung kaum damit beschäftigen können, ob ihre Organisation strukturell gut aufgestellt ist. Es ist sicherlich nicht unser Ziel, lauter Redaktionen zu schaffen, die dauerhaft von Stiftungsgeldern abhängig sind. Aber Fakt ist, dass aktuell insbesondere die Lokalberichterstattung oder die Investigativ-Recherche, die beide für die Meinungsbildung und damit auch die politische Willensbildung vieler Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig sind, unterversorgt sind oder ganz wegbrechen. Diese Entwicklung müssen wir erst einmal aufhalten. Parallel dazu schaffen wir Räume, wo ein Austausch zwischen Medienschaffenden stattfinden kann und innovative Ideen entwickelt werden können. Ein solcher Raum ist zum Beispiel Publix, unser Haus für Journalismus & Öffentlichkeit, das dieses Jahr in Berlin Neukölln eröffnen wird. Hier entsteht ein Ort, an dem die Zukunft von Journalismus und seine Rolle in der Gesellschaft neu gedacht und verhandelt werden kann.
Tim Göbel
Tim Göbel ist seit 2016 geschäftsführender Vorstandder Schöpflin Stiftung. Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert und war anschließend Gründungsmitglied des Teams, das die private interdisziplinäre Zeppelin Universität in Friedrichshafen aufgebaut hat. Von 2008 bis 2016 war er deren Vizepräsident. Tim Göbel ist Mitglied des Aufsichtsrats bei der Finanzwende e. V. und Mitglied des Beirats bei ProjectTogether. In den letzten fünf Jahren war er zudem maßgeblich am Aufbau von Publix, einem Haus für Journalismus und Öffentlichkeit in Berlin, beteiligt.
Foto: Lucia Hofmaier
Das Format: 3 Fragen – 3 Antworten
Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.