Jakob Vicari

Mitgründer und Ko-Geschäftsführer Tactile News GmbH

Inwiefern bietet Deutschland brauchbare Voraussetzungen für journalistische Gründer:innen?

In Deutschland werden journalistische Gründungen stiefmütterlich behandelt. Es gibt großartige Innovationsorte wie das Journalismus Lab NRW, das Medieninnovationszentrum Babelsberg oder das Medialab Bayern. Sie müssen besser ausgestattet werden. Freie Journalist:innen müssen mit Geld und Knowhow in die Lage versetzt werden, zu Gründer:innen zu werden, um in der Medienzukunft zu bestehen. Es braucht sowohl niedrigschwellige Förderungen für verrückte Ideen, als auch größere Pakete für neue Strukturen. Das Antragsrisiko muss klein sein. Drei Monate in einen nicht erfolgreichen Förderantrag zu investieren, kann ich mir als Start-up einmalig leisten. Um unsere Freiheit zu verteidigen, ist Geld für Panzer schnell bewilligt. Was bekäme man für mutigen, neuen Journalismus für den Gegenwert eines Leopard 2!

Was vermissen Sie generell in der deutschen Förderlandschaft?

Echte Innovationsförderung in nachhaltiger Höhe. Mit 10.000 Euro lässt sich kein journalistisches Start-up gründen, das journalistische KI oder VR-Lösungen entwickelt, neue Bezahlmodelle oder Dialogkanäle erschließt. Außerdem muss die Förderung nachhaltiger und längerfristig sein. Einmalige Projektförderung ist gut. Eine sinnvolle Förderung umfasst aus meiner Sicht mindestens 24 Monate. Das „Förderprogramm zum Schutz und zur strukturellen Stärkung des Journalismus” des BKM geht in die richtige Richtung, ist mit einer Millionen Euro aber lächerlich gering ausgestattet. Für das Geld, mit dem der deutsche Journalismus gerettet werden soll, bekommt man in Deutschland nicht mal einen Kuhstall.

Was würden Sie grundlegend anders machen, wenn Sie über nennenswerte Fördergelder und deren Vergabe für journalistische Projekte (mit) entscheiden könnten?

Ich würde Teams fördern, die den Journalismus neu denken: in die Breite, in neuen Geschäftsmodellen, die mutig sind. Diese Projekte würde ich langfristig fördern in einer Höhe, dass das Gründer:innen-Team davon drei Jahre leben kann – und Kapital für Investitionen hat. Sie müssen mir noch nicht sagen, wie ihr Produkt in drei Jahren aussieht. Ich würde ihnen mit Vertrauen, statt mit Bürokratie begegnen. Und ich würde ihnen das Wissen mitgeben, das mir gefehlt hat, als ich gegründet habe: vom Projektmanagement bis zum Controlling, von der Ideenfindung bis zum Vertrieb. Wir müssen heraus aus der Komfortzone und riskante, technologiegetriebene Projekte fördern. Innovation hat keine „Gelinggarantie“. Es können nicht nur Leuchttürme entstehen. Auch ein Scheitern muss möglich sein. Wir brauchen nicht nur neue Formate, sondern neue Geschäftsmodelle. Mein Vorbild sind die Macher hinter der Tonie-Box: Ein deutsches Start-up, das es mit Erzähltechnologie und innovativem Geschäftsmodell, dem Verkauf von Audio-Figuren, an die Börse geschafft hat.

Jakob Vicari

Dr. Jakob Vicari ist Gründer und Lead Creative Technologist von tactile.news. Nach 15 Jahren als freiberuflicher Wissenschaftsjournalist will er den Journalismus mit Technologie besser machen: Ob das Sensoren in Bienenstöcken sind oder 100eyes, eine Software zum besseren Dialog mit den Nutzer:innen.

Bildnachweis: Andreas Tamme

3F3A: 3 Fragen – 3 Antworten

Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.