Björn Staschen
Björn Staschen, Journalist und Mitinitiator der Kampagne „Save Social“.
Herr Staschen, warum braucht es gerade jetzt eine Kampagne wie „Save Social“ – und was läuft ihrer Meinung nach grundlegend schief im bestehenden Plattform-Ökosystem?
Einige wenige weiße Männer in den USA und China bestimmen, wer wann was sieht oder liest auf der Welt: Ihre intransparenten Algorithmen polarisieren, amplifizieren Fake und Hetze und machen es einfacher, Wahlen zu beeinflussen. Das gefährdet die Gesundheit Einzelner ebenso wie unsere Demokratien als solche. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Grundwerte unseres Zusammenlebens zu schützen: Denn die Einführung von Sprachlernmodellen und weiteren so genannten KI-Werkzeugen beschleunigen diese Entwicklungen exponentiell. Einige der Big-Tech-Oligarchen wollen unsere Demokratien abschaffen. Wir müssen handeln – daher haben wir „Save Social“ gegründet.
Wie könnte ein demokratisches Gegenmodell zu Facebook, TikTok, LinkedIn & Co konkret aussehen – was wären die Prinzipien und praktischen Voraussetzungen eines „Public Interest Social Media“?
Die Basis, auf der demokratiestärkende, wirkliche soziale Medien wachsen, sind offene universelle Protokolle – so, wie Tim Berners-Lee seinerzeit das Internet erdacht hat: Hier bestimmen nicht Einzelne, was verbreitet wird und was nicht. Es gibt eine Wahlfreiheit zwischen Plattformen, die miteinander verbunden sind. Transparente Algorithmen helfen, die Informationsflut zu durchsegeln, Nutzende legen die Regeln ihrer Plattformen gemeinsam fest, und ich als einzelne:r Nutzende:r verfüge souverän über meine Daten. Auf dieser Basis wächst schon heute ein System wie das Fediverse, das aber massive Investitionen braucht, um als echte Alternative zu Big-Tech-Plattformen eine Chance zu haben.
Was muss die Politik leisten, damit demokratiefreundliche Alternativen nicht nur Nischenprodukte bleiben – und welche Rolle spielt dabei die europäische Regulierungsebene?
Die Privilegien der Big-Tech-Konzerne müssen auf den Prüfstand, um wieder fairen Wettbewerb herzustellen: Denn es ist unfair, dass der „Spiegel“ für den Inhalt jedes Leserbriefes haftet, den er druckt, während Meta oder TikTok mit den Schultern zucken und behaupten, sie seien für Inhalte nicht verantwortlich, egal, wieviel Geld sie damit verdienen, und egal, wie sehr sie mit ihren Algorithmen zur Verbreitung beitragen. Es ist nicht fair, dass Instagram-Links nach außen nur „in Bio“ zulässt, ich also auf mein eigenes Internet-Blog nur unter Schwierigkeiten verlinken kann – und vom Algorithmus bestraft werde. Offene Netzwerke werden nur eine Chance haben, wenn wir die Wettbewerbsvorteile von Big-Tech-Monopolen einschränken und wieder ein „Level Playing Field“ schaffen. Parallel müssen Gesellschaften massiv in die Nutzbarkeit von Alternativen investieren, damit diese attraktiver werden.
Björn Staschen

Björn Staschen ist Medienwissenschaftler und Journalist, arbeitet u. a. für „TechTalk24“ auf Tagesschau24. Seit Jahren engagiert er sich aktiv in der Debatte um alternative Plattformen und die Organisation unseres Mediensystems. 2025 hat er die Kampagne „Save Social“ initiiert, die auch vom VOCER-Institut aktiv unterstützt wird.
Foto: VOCER-Institut/ Martin Kunze
Das Format: 3 Fragen – 3 Antworten
Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.