Juliane von Reppert-Bismarck
Juliane von Reppert-Bismarck, Gründerin „Lie Detectors“
Frau von Reppert-Bismarck, warum braucht unsere Demokratie heute mehr denn je ein starkes Zusammenspiel von Medienkompetenzbildung und Journalismusvermittlung an Schulen?
Weil Kinder und Jugendliche früh mit einer komplexen digitalen Informationswelt konfrontiert sind – und zwar oft ohne Begleitung. Viele nutzen soziale Medien bereits ab zehn Jahren regelmäßig. Dort begegnen ihnen Meinungen, Gerüchte, Werbung und auch gezielte Desinformation. Um sich darin zurechtzufinden, brauchen sie Werkzeuge: Medienkompetenz, aber auch ein Verständnis dafür, wie journalistische Inhalte entstehen und worin sie sich von anderen Quellen unterscheiden. Die Schule kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie ist der Ort, an dem Recherche, Quellenbewertung und Nachrichtenverständnis systematisch vermittelt werden. Quer durch alle Fächer – nicht als separater Baustein, sondern im regulären Unterricht verankert.
Sie arbeiten mit jungen Menschen an einem kritischen Verständnis für Nachrichten, Algorithmen und Desinformation. Was hat sich durch KI-Tools wie ChatGPT in der Medienbildung verändert – und was macht Ihnen dabei Mut?
KI-Tools verändern den Zugang zu Informationen grundlegend und werfen neue Fragen auf: Wer hat den Inhalt erstellt? Ist das glaubwürdig? Kann man Inhalten im Netz überhaupt noch trauen? Diese Unsicherheit ist bei Jugendlichen, aber eben auch bei Lehrkräften spürbar. Gleichzeitig beobachten wir, dass in diesem Zusammenhang das Interesse an journalistischen Grundlagen und Quellenverständnis wächst. Viele Schülerinnen und Schüler wollen besser verstehen, wie Informationen entstehen, was sie unterscheidbar macht – und welche Rolle sie selbst dabei spielen. Diese Neugier ist ein starker Hebel für Bildung. Wenn wir sie ernst nehmen, entsteht echtes kritisches Denken.
Gemeinwohlorientierte Initiativen wie „Lie Detectors“ und Journalismus macht Schule geraten oft zwischen die Stühle von Politik, Medien und Bildungsbürokratie. Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung – konkret und realistisch?
Wir wünschen uns ein deutliches Bekenntnis, dass Medienkompetenzförderung als feste Bildungsaufgabe verstanden wird und nicht als freiwillige Zusatzleistung. Dafür braucht es langfristige, verlässliche Strukturen, die Schulen, Lehrkräfte und externe Partner:innen miteinander verbinden. Programme wie unsere dürfen nicht vom Zufall lokaler Budgets oder Einzelengagements abhängen. Wir brauchen in Deutschland eine bundesweite Vernetzung, Fortbildungsangebote, verbindliche Lehrplanintegration. Außerdem muss es eine politische Haltung geben, die sagt: Die Fähigkeit, Information einordnen zu können, ist grundlegend für unsere Demokratie.
Juliane von Reppert-Bismarck

Juliane von Reppert-Bismarck ist Gründerin von „Lie Detectors“. Sie berät Regierungen, politische Entscheidungsträger:innen und die EU bei der Bekämpfung von Desinformation und Radikalisierung. Sie war Mitglied der „High-Level Expert Group on Fake News“ (2018) sowie Mitverfasserin von Empfehlungen im Rahmen des EU-Expertengremiums für Medienkompetenz (2022). Von Reppert-Bismarck entwarf Konzept, Skripte und Trainingsmodell von „Lie Detectors“ und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Zuvor war sie Journalistin und arbeitete u. a. für „Wall Street Journal“, „Newsweek“, Reuters und „Spiegel Online“. Sie ist Absolventin der Journalistenschule der Columbia University New York und der University of Edinburgh.
Foto: „Lie Detectors“
Das Format: 3 Fragen – 3 Antworten
Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.