Immer mehr Lokalredaktionen werden dichtgemacht. Eine Studie des Autors kommt zu alarmierenden Ergebnissen: Wähler:innen in baden-württembergischen Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten bei der Landtagswahl 2021 signifikant häufiger für die AfD.
Von Maxim Flösser
Sie ist gekommen, um zu bleiben: Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD eine rasante Karriere hingelegt. In aktuell 14 von 16 Landtagen vertreten, wäre die Partei nach aktuellen Meinungsumfragen zweitstärkste Kraft im deutschen Bundestag. Der Aufstieg der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD ist nicht nur Symptom einer Zeit von multiplen, tief- und ineinandergreifenden Krisen, sondern auch der weltweiten reaktionären Antworten auf diese. Von den USA bis Ungarn, von Italien bis Frankreich: rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien sind in vielen Demokratien auf dem Vormarsch. Warum wählen Menschen die AfD? Aus Angst vor dem Wandel, Protest gegen die anderen Parteien oder sind die Wähler:innen alle Nazis? In der Politikwissenschaft geht man davon aus, dass es verschiedene Hebel gibt, an denen Gesellschaft und Politik ansetzen können und sollten, aber vieles mit dem Informationsangebot zusammenhängt, durch das sich die Menschen bilden können. Und hierfür sind Medien, vor allem Lokalmedien, in einer medial vermittelten Demokratie entscheidend.
Auch in Baden-Württemberg feiert die AfD Erfolge, bei der Landtagswahl 2021 bekam sie 9,7 Prozent aller gültigen Stimmen. In Börslingen im Alb-Donau-Kreis stimmten 22,2 Prozent der Einwohner:innen für die Partei, in Spiegelberg im Rems-Murr-Kreis waren es 21,72 Prozent. Könnte es einen Zusammenhang zwischen dem Stimmenanteil für die AfD und dem lokalen Medienangebot geben? Dieser Frage bin ich in meiner Masterarbeit für die Uni Stuttgart nachgegangen und habe die These untersucht, ob Menschen in Nachrichtenwüsten – also Gemeinden ohne Lokalzeitung – in Baden-Württemberg stärker für die AfD stimmen. Nach meinem Wissen bin ich damit der erste, der dieser Frage für ein ganzes Bundesland in Deutschland nachgeht. Anhaltspunkte für meine Forschungsfrage waren Landkreise wie Hohenlohe, Calw, Schwäbisch-Hall, wo in den letzten Jahren viele Lokalredaktionen dichtgemacht worden sind und die AfD Erfolge feiern konnte. Ob diese erste Beobachtung sich wissenschaftlich belegen lässt, habe ich anhand vielfältiger Datenerhebungen für die Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg verifiziert. Mit dem alarmierenden Ergebnis: Wähler:innen in Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten häufiger für die AfD als in Gemeinden mit mindestens einer lokalen Zeitung.
Lokaljournalismus und die AfD
In vielen westlichen Demokratien ist zu beobachten, dass nicht nur rechtspopulistische Parteien weiter voranschreiten. Auch ein anderer Trend verbreitet sich immer mehr: das Sterben der klassischen lokalen Tageszeitung. Die vielzitierte „vierte Gewalt“ verschwindet, zumindest im Lokalen. Verleger:innen und Journalist:innen beklagen das schon seit Langem und auch lokale Politiker:innen vermissen Reporter:innen auf den Pressebänken.
Studien zeigen, dass mit wegbrechenden Werbeeinnahmen, zunehmender Monopolisierung, Digitalisierung und steigenden Produktionskosten immer mehr Lokalredaktionen geschlossen werden. In einigen westlichen Ländern gibt es bereits heute ganze Regionen und Landkreise ohne eine einzige Lokalzeitung – sie sind zu Nachrichtenwüsten verkommen. Besonders in den USA ist dies seit Jahren ein großes Problem: Zwischen 2005 und 2020 wurden rund 25 Prozent aller Lokalzeitungen geschlossen, was zur Folge hatte, dass aktuell rund 1.800 Gemeinden über keine Lokalpresse mehr verfügen und im gleichen Zeitraum 36.000 Journalist:innen ihre Jobs verloren haben. Die Wahl von Trump 2016 wird damit eng in Verbindung gebracht.
Dieser besorgniserregende Trend schreitet auch in Deutschland voran. Noch gibt es hierzulande eine relativ hohe Dichte an Lokalzeitungen, doch herrschen große regionale Unterschiede. Während es in Bayern mehr als 50 Lokalzeitungen gibt, berichten in Thüringen gerade mal sechs Blätter vor Ort. Der deutsche Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger warnt bereits, dass bis 2025 bundesweit rund 4.400 Gemeinden vom Verlust ihrer Lokalzeitung bedroht sein könnten. Diese Entwicklung könnte maßgeblich zum Erfolg der AfD beitragen.
Nachrichtenwüsten im Südwesten
Auch in Baden-Württemberg hat die Lokalpresse immer mehr Probleme, alle Landkreise mit einer eigenständigen Berichterstattung zu versorgen. Wie der Verband der Südwestdeutschen Zeitungsverleger in seinem Jahresbericht 2021 zeigt, schrumpfte die Gesamtauflage der Lokalzeitungen zwischen 2001 und 2021 um ein Drittel. Bereits jetzt werden nicht mehr alle Landkreise von eigenständigen Lokalzeitungen oder zumindest von Lokalredaktionen überregionaler Zeitungen abgedeckt.
Hier stellen sich nun zwei Fragen: Ist es denn wirklich schlimm, wenn Lokalzeitungen aussterben? Und: Was hat das mit der Wahl der AfD zu tun? Zur zweiten Frage später mehr. Erstmal: Man stelle sich eine Lokalzeitung vor – unhandliches Format, viel Papier, kein zeitgemäßer Online-Auftritt, manche Seiten voll mit Werbung für lokale Großunternehmen. Gerade für jüngere Leser:innen sind Lokalzeitungen ein Anachronismus aus einer vergangenen Zeit. Braucht es diese „Blättle“ überhaupt für die politische Bildung, für die Demokratie?
Die Bedeutung der Lokalpresse für die Demokratie
Studien zeigen, dass Lokalzeitungen eine Reihe von wichtigen Aufgaben erfüllen:
- Erst durch Berichte von Reporter:innen werden Themen in den Gemeinden sichtbar gemacht, sowohl für die Einwohner:innen und Lokalpolitiker:innen, als auch für überregionale Medien.
- Zweitens belegen Studien, dass sich Bewohner:innen von Gemeinden durch diese Öffentlichkeit mehr mit ihrer Heimat und den Mitmenschen verbunden fühlen: Es entsteht eine soziale Identität, ein Zusammenhalt.
- Lokale Nachrichten, Berichte und Reportagen fördern die politische Bildung, die wiederum eng mit politischem Engagement verbunden ist.
Wenn Lokalmedien es schaffen, ihren Aufgaben nachzukommen, dienen sie als sogenannte Wachhunde der Demokratie und prangern Missstände und Korruption an. - Ein kleinerer Teil der Forschung zeigt jedoch auch, dass Lokalmedien durch ihre wirtschaftliche Nähe zu Werbepartner:innen oder Politiker:innen ihren Aufgaben nicht nachkommen, wodurch sich Korruption
Auch in der Demokratieforschung wird diese Frage untersucht. Mit der verbreiteten Erkenntnis: Lokalmedien haben eine Vielzahl positiver Effekte für die Demokratiezufriedenheit. Bis heute genießt laut diverser Studien die Lokalpresse in Deutschland das höchste Vertrauen unter den Zeitungen und gilt als das wichtigste Medium, um sich über Lokales zu informieren. Insgesamt wird Lokalzeitungen dadurch eine wichtige Rolle für die Demokratiezufriedenheit attestiert. Fehlen Lokalzeitungen jedoch, kann das die Wahl von Populist:innen fördern. So zeigen mehrere Studien aus den USA, dass ohne Lokalzeitung die Menschen weniger über lokale Politik wissen und sich weniger mit ihrer Gemeinde und der Gesellschaft verbunden fühlen. Das führt zu Unzufriedenheit. Und die drückt sich durch die Wahl von extremeren Kandidat:innen und Parteien aus.
Einfluss der Lokalzeitungen auf die Wahl der AfD
Damit kommen wir zur zweiten Frage: Was hat der Niedergang des Lokaljournalismus mit der AfD zu tun? Wenn Lokalzeitungen tatsächlich für eine höhere Demokratiezufriedenheit sorgen, die wiederum die Wahl der AfD negativ beeinflusst, dann kann vermutet werden, dass das Nicht-Vorhandensein einer Lokalzeitung den gegenteiligen Effekt bewirkt.
Baden-Württemberg ist auch deswegen ein spannender Forschungsfall, weil hier die Kandidat:innen der Parteien in einem der 70 Wahlbezirke direkt antreten müssen. Bedeutet, dass sie stark von einer lokalen Berichterstattung abhängig sind – und diese dadurch auch einen größeren Einfluss haben kann. Fehlt die Berichterstattung, fehlt auch die kritische Einordnung. Bei der Landtagswahl 2021 gaben 63,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, die AfD erreichte damals 9,7 Prozent. Erfolgreich war die AfD damals vor allem in den Landkreisen Alb-Donau, Calw und Schwäbisch Hall. In Gemeinden wie Setzingen (Alb-Donau), Haiterbach (Calw) oder Fichtenau (Schwäbisch Hall) erzielte sie im Schnitt mehr als 19 Prozent. Das Spannende: Alle genannten Gemeinden haben keine eigene Lokalzeitung. Zufall oder gibt es hier einen statistisch signifikanten Zusammenhang?
Um das zu überprüfen, habe ich Daten zur sozio-ökonomischen Verfassung wie Arbeitslosigkeit, Migrationsanteil oder den Jahresumsatz ansässiger Unternehmen aller Gemeinden in Baden-Württemberg gesammelt, sowie die örtlichen Wahlergebnisse der Landtagswahl von 2021. Alle Daten dazu sind öffentlich zugänglich. Um die Präsenz von Lokalzeitungen zu erheben, habe ich vergangenen Sommer von Juni bis August durch eine Web-Browser-basierte Recherche für jede einzelne Gemeinde überprüft, ob diese eine Lokalzeitung hatte. Hierbei habe ich versucht, nur diejenigen Lokalzeitungen in die Datensammlung aufzunehmen, die wirklich lokal berichten. Insgesamt habe ich so einen Datensatz erstellt, der Informationen für 1.098 von insgesamt 1.102 Gemeinden in Baden-Württemberg bereithält und über 80 Lokalzeitungen und -ausgaben erfasst.
Fehlt die Lokalzeitung, punktet die AfD
Ein erster Blick: 891 Gemeinden in Baden-Württemberg haben mindestens eine Lokalzeitung vor Ort, 207 Gemeinden haben nach meiner Erhebung keine eigene Lokalpresse. Der durchschnittliche Stimmenanteil für die AfD, gemessen an der Bevölkerung vor Ort, lag in diesen bei 12,08 Prozent, in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung bei 10,49 Prozent.
Rot die lokalzeitungsfreien Zonen.
Quellen: OpenStreetMap, Regionalstatistik für Baden-Württemberg 2021, eigene Recherche und Darstellung
Wichtig: Hier wurde nicht die absolute Zahl der Stimmen berücksichtigt, sondern der prozentuale Anteil der AfD-Stimmen im Verhältnis zu den Gesamtstimmen in der Gemeinde. So erhält man eine Vorstellung davon, wie hoch die Zustimmung zur AfD in den Kommunen ist. Deswegen weichen die Ergebnisse von den offiziellen Wahlergebnissen ab. Bei Letzteren werden nämlich die gültigen Stimmen für eine Partei mit der Gesamtzahl der gültigen Stimmen verrechnet.
Ist der Unterschied zwischen Gemeinden mit Lokalzeitung und ohne Lokalzeitung statistisch signifikant, also nicht zufällig? Das habe ich mit Hilfe verschiedener statistischer Modelle untersucht. Betrachtet man nur den Unterschied zwischen den Gruppen, so ergibt sich ein erstes, bemerkenswertes Ergebnis: Die Differenz tritt nicht zufällig auf. Die Menschen in den Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten durchschnittlich rund 1,6 Prozentpunkte mehr für die AfD als in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung.
Nun leben wir aber nicht in einem luftleeren Raum, in dem Zeitungen als einziger Faktor unsere Wahlabsicht beeinflussen. Darum habe ich in mehreren weiteren Untersuchungen sozio-ökonomische Faktoren miteinbezogen – ein Standardinstrument empirischer Sozialforschung. Die große Erkenntnis: Selbst unter Bezugnahme weiterer Einflüsse wie Arbeitslosigkeit, Migrationsanteil in den Gemeinden, Männer-Frauen-Verhältnis und so weiter bleibt der Effekt der Präsenz einer Lokalzeitung bestehen. Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung stimmten immer noch durchschnittlich um 0,6 Prozentpunkte weniger für die AfD. Auch wenn der Unterschied nicht riesig ist, so zeigt er dennoch, dass selbst wenn man strukturelle Unterschiede miteinbezieht, die Lokalzeitung ein eigenständiger und signifikanter Faktor für das Wahlverhalten ist.
Die Wahl von Populist:innen
In der Sozial- und Politikwissenschaft ist der Einfluss von lokaler Berichterstattung auf das Wahlverhalten bislang nicht ausführlich behandelt worden. Studien, die sich mit der Wahl von Trump, FPÖ, AfD und Co. auseinandergesetzt haben, kommen zu aufschlussreichen Erkenntnissen:
- Wähler:innen von Populist:innen weisen eine geringere politische Bildung auf.
- Häufiger nutzen sie Soziale Netzwerke als Informationskanäle und glauben häufiger Falschnachrichten.
- In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Wähler:innen von Populist:innen höhere Unzufriedenheit mit der Demokratie und der Regierung verspüren.
- Außerdem haben die Wähler:innen ein geringeres Vertrauen in das politische System sowie in ihre Mitmenschen, fühlen sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und fürchten um ihren sozialen Status.
Auffällig ist, dass sich die Gemeinden ohne Lokalzeitung regional häufen. Laut meiner Erhebung betrifft das vor allem den Alb-Donau-, Enz- und den Hohenlohekreis, aber auch die Landkreise Calw und Schwäbisch Hall. Hier gibt es nach meiner Erhebung besonders viele Gemeinden ohne lokale Zeitung, während gleichzeitig der Stimmenanteil der AfD um drei Prozentpunkte über dem landesweiten Durchschnitt liegt. Betrachtet man zudem noch die Eigenschaften der Gemeinden mit und ohne Lokalzeitung, fällt auf, dass Nachrichtenwüsten durchschnittlich häufiger vorkommen in kleineren Gemeinden mit finanzschwächeren Unternehmen, einem geringeren Migrant:innen-Anteil, aber einer ähnlich hohen Arbeitslosenquote wie in den Gemeinden mit Zeitungen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen: Lokalzeitungen haben einen Einfluss auf den Stimmenanteil für die AfD, unabhängig von der dortigen Arbeitslosigkeit oder dem Migrationsanteil. Damit zeigt die Studie, welche Wichtigkeit der Lokalpresse zukommt.
Wir brauchen Lokalzeitungen!
Was lässt sich also daraus schließen? Lokalzeitungen bilden ein Band, das die demokratische Gesellschaft zusammenhält. Sie haben einen Einfluss darauf, wie stark die AfD bei Wahlen abschneidet. Eine Erkenntnis, die gerade 2024 von allergrößter Wichtigkeit ist: Im Juni 2024 stehen in Baden-Württemberg Kommunalwahlen an. In Ostdeutschland befürchten Beobachter:innen für die Landtagswahlen im September ein Erdbeben, aus dem die AfD als stärkste Kraft hervorgehen könnte. Gerade im Osten gibt es nur noch wenige Lokalzeitungen, die die AfD kritisch beleuchten können. Für eine offene und liberale Demokratie sind freie Medien und insbesondere lokale Medien wie Lokalzeitungen entscheidend.
Recherche-Vorgehen
Um zu erfassen, ob eine Lokalzeitung über eine Gemeinde berichtet, habe ich für jede einzelne Gemeinde in meinem Datensatz online recherchiert, ob sich für diese eine Zeitung finden lässt. In Zeiten von großer Verlagskonzentration kam dabei das Problem der überregionalen Zeitungen auf. Was heißt das? Ein Beispiel: Die „Stuttgarter Zeitung/Nachrichten“ berichten sowohl über Stuttgart, als auch über Gemeinden in entfernten Landkreisen. Als Lokalzeitung kann sie dort aber nicht gewertet werden, schließlich ist sie nicht vor Ort.
Nun gibt es aber einige größere Zeitungen, die in Gemeinden in der Nähe Lokalredaktionen unterhalten. Wie wertet man das? Ich habe mich in diesen Fällen dafür entschieden, zu überprüfen, ob diese Zeitungen regelmäßig über Themen von vor Ort berichten. Dazu habe ich geprüft, ob die einzelnen Gemeinden im Berichtsgebiet auf der Internetseite einen eigenständigen Reiter haben. Wenn also Gemeinde XY dort individuell aufgeführt wird, bin ich davon ausgegangen, dass über diese auch regelmäßig geschrieben wird. Dann habe ich dies als Gemeinde mit Lokalzeitung gewertet. Wenn jedoch eine Gemeinde auf der jeweiligen Website der Zeitungen beispielsweise nur in Verbindung mit Verkehrsmeldungen erscheint und sie keinen eigenen Reiter hat, zählte ich das nicht als regelmäßige Berichterstattung – also: als Gemeinde ohne Lokalzeitung.
Was fehlt
Nun muss und soll man bei solchen Studien natürlich immer kritisch sein, das ist Teil sozialwissenschaftlicher Forschung. Kann man durch die reine Präsenz einer Zeitung wirklich sagen, dass das einen Effekt auf den Stimmenanteil der AfD hat? Müsste man dafür nicht wissen, wie oft die Menschen die Zeitung lesen? Was ist mit dem allgemeinen Bildungsstand der Bevölkerung vor Ort, macht das nicht auch einen Unterschied? Und: Nur durch die Präsenz einer Zeitung weiß man ja noch lange nichts darüber, wie die einzelnen Zeitungen über die AfD berichten. Schließlich könnte es auch sein, dass die Zeitungen unterschiedlich über die AfD schreiben. Hierfür bräuchte es noch mehr Forschung.
Und auch das Recherchevorgehen muss kritisch betrachtet werden. Kann es sein, dass einzelne Lokalzeitungen vergessen wurden? Könnten zwischen 2021 und 2023 auch Zeitungen dazugekommen oder verschwunden sein? Listen die Zeitungen auf ihren Webseiten wirklich detailliert auf, wo sie berichten? Zählen nicht auch überregionale Berichte für die Wahlabsicht? Und was ist mit anderen Medien wie lokalen Blogs, Fernsehsendern oder Radiostationen? Die fehlen in der Untersuchung, obwohl auch sie zu der diskursiven Infrastruktur gehören. Eine umfassendere Datenlage könnte das Problem lösen. Und schließlich bleibt die Frage: Wenn Nachrichtenwüsten vor allem in strukturschwachen Regionen bestehen, dann ist es doch auch klar, dass diese Regionen sowieso schon abgehängter sind und die Menschen darum vielleicht stärker AfD wählen? All das benötigt weitere Untersuchungen. Eine Masterarbeit kann dafür nur den Grundstein legen.
Erstveröffentlichung: „Keine Lokalzeitung – mehr AfD“, Kontext, 6. März 2024
Bildnachweis: KI-Generiert. NEWS DESERTS: KI-Zyklus zur Expansion von Nachrichtenwüsten und Pressesterben #3 © 2024 VOCER Institut für Digitale Resilienz
Maxim Flößer
Maxim Flößer arbeitet für das Studio Stuttgart als Multimedia-Reporter. Derzeit beendet er sein Masterstudium in Empirischer Politik- und Sozialforschung an der Universität Stuttgart. Ihn interessieren vor allem Geschichten, die das Leben in der Gesellschaft abbilden. Flößer hat Politik-, Medien- und Kommunikationswissenschaften in Mannheim studiert. Dort arbeitete er fünf Jahre als Hörfunkredakteur für das Uni-Radio.
Foto: Privat
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