Die Giraffe vom Prenzlauer Berg

Wie geht gemeinwohlorientierter Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Innovations-Projekte im Journalismus. Diesmal: „Loky*“

Was ist das?

Giraffen sind zeichnen sich durch ihren extrem langen Hals, hornähnliche Gehörknöchelchen und ein geflecktes Fell aus. Mehrere ihrer Unterarten sind vom Aussterben bedroht. Ihr bisheriges Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Savannen und Wälder ganz Afrikas – und neuerdings auch auf dem Prenzlauer Berg in Berlin: Eine Giraffe im trendigen Rollkragenpullover und Knopf im Ohr dient den vormaligen Machern der „Prenzlauer Berg Nachrichten“ (PBN) als Maskottchen für einen „neuen Lokaljournalismus“, deren Prototyp auf den Namen „Loky*“ hört. „Gestartet als community-zentrierter Newsletter entwickeln wir Schritt für Schritt eine Local News Community, die nicht nur sendet, sondern organisiert, vernetzt und zugänglich macht, was in der Nachbarschaft wirklich wichtig ist“, erklärt Mitgründer Philipp Schwörbel.

Wer steckt dahinter?

Neben Medienunternehmer Schwörbel gehört die vielfach ausgezeichnete Journalistin und langjährige Chefredakteurin der PBN, Juliane Schader, zum Loky*-Team. Ihre beiden Karrieren wurzeln im urbanen Lokaljournalismus, in digitaler Produktentwicklung und Medieninnovation. Schwörbel hat unter anderem das genossenschaftlich organisierte Online-Magazin „Krautreporter“ und die Crowdfunding-Plattform „Steady“ mitgegründet. Mit ihrem neuen hyperlokaljournalistischen Unterfangen wollen Schader und Schwörbel ein Vakuum füllen, indem sie „Relevanz, Orientierung und Nähe in den Kiez“ zurückbringen, wo klassische Medien oft kaum noch stattfinden, und soziale Netzwerke versagen“.

Warum braucht es das?

Schwörbel hält die Kommunikation im Lokalen für „gestört“: „Etwa die Hälfte aller Deutschen ist mit der lokalen Berichterstattung unzufrieden – zu laut, zu viel, zu irrelevant“, beklagt der 53-Jährige. Während die klassischen Medien einer Reichweitenlogik folgten („wenn es nicht klappt, reduzieren sie das Angebot“), arbeiteten soziale Netzwerke wiederum nicht journalistisch. Das will Schwörbel ändern: „Loky*“ soll das angegriffene Publikumsverhältnis entstören und das Vertrauen in lokale Gemeinschaften revitalisieren.

Was ist das Besondere?

Nicht nur der Look, auch der Sound soll ein anderer werden: „Newsletter und Community für unseren Alltag zwischen Mauerpark und Mieterhöhung“, nennen die Loky*-Macher das. Ihr Lokaljournalismus soll mit Info-Snippets den Lesern einen Überblick verschaffen und mit inhaltlich tiefergehenden Artikeln Zusammenhänge erschließen – und obendrein Spaß vermitteln: „Wir kombinieren journalistische Vernunft mit Charme, Integrität mit Optimismus, Seriosität mit Lässigkeit!“, sagt Schwörbel. Seine Arbeitshypothese: Leser wollen nicht 1.000 Artikel im Monat, sondern das „wirklich Wichtige“ sortiert und präsentiert bekommen. Das Nutzerversprechen: „100 % für euch, 0 % Clickbait.“ Inhalte sollen nicht wie üblich im Einbahnstraßenmodus ausgespielt werden, sondern „Menschen, lokale Gruppen, Organisationen und Unternehmen“ vor Ort mit journalistischen Mitteln zu einem lebendigen Nachbarschaftsnetzwerk reaktivieren.

Wie finanziert sich das?

„Loky*“ finanziert sich seit dem Launch 2025 erfreulicherweise durch die Leser, aktuell trägt sich das Angebot zu 100 Prozent über Abos. „Unsere Mitglieder zahlen, weil sie wollen, nicht, weil sie müssen“, sagt Schwörbel. Künftig werde das Geschäftsmodell um Partnerprogramme und Sponsoring erweitert, indem „Loky*“ nicht als exklusiver Content-Anbieter daherkommt, sondern als Service für „Nähe, Orientierung und Gemeinschaft“. Damit beide Gründer davon leben zu können, muss sich das möglichst schnell selbst tragen. Andererseits: das Leben hält viele Überraschungen bereit – so konnte sich „Loky*“ im Juli 2025 für eine Förderung des Media Forward Fund qualifizieren: satte 400.000 Euro sichern den Redaktionsbetrieb des hyperlokaljournalistischen Newsletter-Magazins für die kommenden Jahre vorerst ab. Erklärtes Ziel ist es, mit dem Fördergeld das Berichtsgebiet auf benachbarte Ortsteile auszuweiten und zusätzliche Newsletter-Abonnements zu gewinnen

Hat das Zukunft?

In unserer „bunten, Ai-gestützten News-Avoidance-TikTok-Welt“ (Schader) sind gemeinschaftsstiftende Medienangebote im Hyperlokalen nicht nur nobel, sondern essenziell für die Demokratie. Auch Schwörbel glaubt fest daran, dass „Loky*“ nicht die nächste Lokalzeitung, sondern „im besten Fall ein Modell für die Zukunft lokaler Öffentlichkeit“ sein werde: „Wir wachsen, unser Modell funktioniert – und wir sehen, wie sehr sich die Leute nach relevanter, verlässlicher Information – aber auch nach Nähe und Gemeinschaft im Alltag sehnen“. Es wird daher allen nachrichtenmüden „Prenzlbergern“ empfohlen, sich in ihrem Kiez auf die Lauer zu legen und nach der lässigen Giraffe mit Rollkragenpulli Ausschau zu halten.

Loky*

Gründung: 2025

Unternehmensform: UG

https://www.loky.news/ 

Foto: Caroline Pitzke

Stand: August 2025

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Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.

Published On: 24. Juli 2025