Hermann-Josef Tenhagen

Chefredakteur Finanztip

Warum sollte es in Deutschland mehr gemeinnützige Medienangebote geben?

Journalismus, der die Leser/innen und Zuschauer/innen ins Zentrum stellt, ist auch in Deutschland leider nicht die Regel. Vielmehr wird die Frage, welche journalistischen Angebote neu erstellt werden, oft und nachvollziehbar von der Frage geprägt, was diesen Journalismus finanziert. In Zeiten vor dem Internet haben viele Verlage ihre Produkte für Anzeigenkunden optimiert. Leserforschung spielte eine deutlich kleinere Rolle als optimiertes Anzeigenmarketing. Heute kann die Nutzung von Inhalten viel genauer gemessen werden. Aber noch immer wird oft nicht zuerst gefragt, wie der wichtige Inhalt so aufbereitet wird, dass ihn die Nutzer/innen auch erkennen und dann nutzen. Sondern welcher Inhalt für Anzeigenkunden Reichweite verspricht. Gemeinnütziger Journalismus rückt die Nutzerinnen und Nutzer ins Zentrum, die Allgemeinheit.

Auf welche Hürden sind Sie mit Ihrer gemeinnützigen Stiftung bisher gestoßen?

Die Finanztip Stiftung ist entstanden, weil wir mit unserer journalistischen Arbeit für zig Millionen von Nutzerinnen und Nutzern die Mittel für eine Stiftung bereitstellen können und diese Mittel für den Zweck, nämlich Finanzbildung für die Allgemeinheit, und nicht als Rendite für Eigentümer brauchen. Das verdanken wir den beiden Finanztip-Gründern Marcus Wolsdorf und Robert Haselsteiner. Die Stiftung finanziert Bildung. Journalismus im engeren Sinne kann die Stiftung bislang nicht finanzieren. Das lässt die Abgabenordnung heute nicht zu. Ein Schützenverein kann einfach gemeinnützig sein, ein Medium nicht. Politische Veränderungen der Gesetzeslage wären hier wünschenswert.

Was würden Sie Kolleg:innen raten, die in den gemeinnützigen oder gemeinwohlorientierten Journalismus streben?

Orientiert euch an den Leser/innen und Lesern, den Zuschauer/innen und Zuschauern. Fragt Euch jeden Tag, wie Ihr die wichtigen Inhalte für sie spannend und konsumierbar macht. Ihr seid Dienstleisterinnen und Dienstleister einer demokratischen Republik, die Euch braucht, weil Ihr die wichtigen Informationen einfach konsumierbar macht. Entscheidend ist, dass nach Eurem Beitrag die knapp Zweidrittel, die bisher das ihnen zustehenden Wohngeld nicht beantragen, den Antrag ausfüllen – nicht was die Fraktionssprecher dazu sagen. Dafür gibt es einen Markt. Und wenn Ihr einen Arbeitgeber sucht, sucht Euch einen, der diese Interessen der Leser/innen, Zuschauer/innen ins Zentrum rückt. Der wird auch Erfolg haben. Holt die Nutzer ab, wo sie sind, denn ihr beherrscht das Kommunikationssystem.

Hermann-Josef Tenhagen

Hermann-Josef Tenhagen

Hermann-Josef Tenhagen ist seit Oktober 2014 Chefredakteur des Geld-Ratgebers Finanztip, der Teil der Finanztip-Stiftung ist. Davor hat Tenhagen 15 Jahre lang die Redaktion der Zeitschrift Finanztest geleitet, die von der Stiftung Warentest herausgegeben wird. Er war Nachrichtenchef der Badischen Zeitung, Mitgründer des Ressorts Wirtschaft & Umwelt bei der Tageszeitung taz und dort stellvertretender Chefredakteur. Bis heute ist er Mitglied im Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft.

3F3A: 3 Fragen – 3 Antworten

Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.