Der Tech-Gigant Meta förderte den Journalismus viele Jahre mit Millionensummen. Doch jetzt mehren sich die Anzeichen einer Kehrtwende. Warum dreht Meta den Verlagen den Geldhahn zu?

Von Christian Meier und Stephan Weichert

Für das Verhältnis von Medienhäusern und den Betreibern digitaler Plattformen hat sich der Begriff „Frenemy“ eingebürgert, ein Zwitter aus Freund und Feind. Denn einerseits scheint man gut zueinander zu passen: Der Journalismus liefert Inhalte, die die Plattformen benötigen, um ihre Nutzer zu bedienen. Im Gegenzug gibt es gute Reichweiten, die Medien nach Kräften monetarisieren. Zudem fördern Meta und Google einzelne Häuser auch direkt – etwa über die Google Digital News Initiative. Andererseits konkurriert man auf dem digitalen Werbemarkt um Budgets – und wer hier satte Gewinne einfährt und wer nicht, ist hinlänglich bekannt. Diese Zweckgemeinschaft hat nun eine Weile leidlich gut zusammengelebt – auch wenn von Seiten der Medienhäuser immer wieder über die Dominanz der unfreiwilligen Partner geklagt wurde.

Neu ist aber, dass auch die Tech-Konzerne ihre Rolle zu überdenken scheinen. Bezogen auf die konkreten Partnerschaften zwischen Meta/Facebook und Verlagen wird dies jetzt überdeutlich. Seit ungefähr fünf Jahren fördert der US-amerikanische Großkonzern den Journalismus in vielfältiger Form und im großen Stil: Es gab (und gibt) etliche Journalismus-Finanzierungen. Etwa für ein globales Accelerator-Programm, Medienkonferenzen wie das internationale Journalismus Festival im italienischen Perugia, journalistische Weiterbildungsprogramme wie das Digital Journalism Fellowship an der Hamburg Media School. Nicht zu vergessen: die jährliche internationale Mediennutzungsstudie des Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford. Darüber hinaus werden Fakten-Checking-Einheiten beauftragt, etwa bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und der Recherche-Redaktion Correctiv.

Schließlich startete im Mai 2021 auch in Deutschland „Facebook News“, ein sowohl von Redakteuren wie von Algorithmen kuratiertes Angebot journalistischer Beiträge, die von Partnermedien stammen. In Deutschland haben mehrere Dutzend Verlage Lizenzverträge mit Meta abgeschlossen, darunter große Titel wie „Spiegel“ und „Zeit“, aber auch Anbieter spezialisierter Titel wie der wissenschaftliche Spektrum Verlag und der Olympia Verlag („Kicker“).

Unterstützer für innovative Journalismuskonzepte

Immer lautete das Narrativ von Meta, man wolle mit den Partnerschaften „hochwertigen, unabhängigen Journalismus“ fördern. Im Falle der projektbezogenen Kooperationen tritt der Konzern als eine Art wohlhabende und elitäre Trainingsanstalt auf, die ihre Schüler (also die Journalisten) mit Schulungen und Werkzeugen fit für das Überleben in der digitalen Welt macht. In einer Mitteilung vom Mai 2021 hieß es: „Im Rahmen des Facebook Journalism Project haben wir mit mehr als 2.600 Verlagen weltweit zusammengearbeitet und Hunderte von Millionen Dollar in eine Vielzahl von Initiativen investiert. Seit 2018 haben wir 600 Millionen US-Dollar in die Nachrichtenbranche investiert und planen mindestens eine weitere Milliarde US-Dollar in den nächsten drei Jahren.“

Doch Meta muss sparen – im Lauf des Jahres ist der Kurs an der Börse um über 60 Prozent gesunken. Seit dem vergangenen Sommer mehren sich daher die Anzeichen, dass Meta im Umgang mit journalistischen Inhalten einen Strategiewandel vollzieht. So hatte das Portal Axios im Juli 2022 exklusiv vermeldet, dass die mit US-Medien ausgehandelten Dreijahresverträge nicht verlängert werden, zumindest nicht auf Basis von Geldzahlungen. Außerdem werde das Unternehmen laut der bekannten US-Fernsehjournalistin Campbell Brown weniger Zeit auf die Entwicklung von Facebook News verwenden. Brown ist diejenige Meta-Managerin, die mit einem weltweiten Team aus ehemaligen Journalisten das „Facebook Journalism Project“ (später „Meta Journalism Project“) aufbaute. Hier konnte sich der Technologiekonzern als Unterstützer für innovative Journalismuskonzepte präsentieren – um sich in der Branche entsprechend beliebt zu machen.

Mit der nun angekündigten Massenentlassung von über 11.000 Mitarbeitern durch Meta manifestiert sich die Strategieänderung. „Facebook ist bereit, sich von Nachrichten zu verabschieden“, schlagzeilte das renommierte Nieman Lab auf seiner Webseite. Nachrichtenmedien droht damit der kalte Entzug. In Deutschland verlassen wichtige Mitarbeiter für „News Partnerships“ den Konzern mit bisher ungeklärten Auswirkungen auf die laufenden Programme. Fest steht, dass die Kuratierung von Inhalten für „Facebook News“ durch Redakteure der Nachrichtenagentur dpa nach einem Jahr beendet wird – hier wie auch in vielen anderen Ländern stellt die Nachrichten künftig ausschließlich ein Algorithmus zusammen. Ein Meta-Sprecher bestätigte die Beendigung des Vertrags mit der dpa auf Nachfrage.

Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des Reuters Institute in Oxford, sagt: „Es ist eindeutig, dass sich Meta aus der direkten Unterstützung des Journalismus über Förderungen herauszieht.“ Seine Einschätzung: „Ich denke, es hat mit der Tatsache zu tun, dass Journalismus für ihre Hauptangebote und das Kerngeschäft nicht besonders wichtig ist, und dass das Unternehmen – sogar bevor die Umsätze sanken – gespürt hat, dass die Investitionen in den vergangenen Jahren nicht viel hinsichtlich der Anerkennung bewirkt haben, die man sich als Unternehmen erhofft, wenn man sich mit Themen wie gesellschaftlicher Verantwortung oder Wohltätigkeit engagiert.“

Rückzug aus Journalismus-Kooperationen

Bei dem US-Konzern betont man indes auf Nachfrage, Meta werde Nachrichtenmedien weiterhin „bei der Ausrichtung ihrer Strategien“ unterstützen, auch bleibe „Facebook News“ weiterhin als Angebot bestehen. Auch die Kooperationen mit Faktenprüfern hätten Bestand. Entscheidend ist aber, wie der Konzern den Stellenwert von journalistischen Inhalten bewertet, nämlich folgendermaßen: „Nachrichten sind für die Mehrheit der Menschen nur ein Bruchteil dessen, wofür sie unsere Plattformen nutzen. Facebook- und Instagram-Nutzer*innen interessieren sich zunehmend für Inhalte, die von Creator*innen erstellt werden, insbesondere für Videos.“

Allein in den USA hat die Facebook-Mutter Meta seit 2019 nach Schätzungen des Tech-Experten Marcus Schuler rund 105 Millionen Dollar für News-Partnerschaften mit Verlagen und TV-Sendern ausgegeben: „Größter Profiteur hier in den USA war die New York Times, die angeblich 20 Millionen Dollar bekommen hat, gefolgt vom Wall Street Journal (10 Millionen Dollar) und drei Millionen für CNN.“ Jetzt sei Facebook „für Zeitungen und elektronische Medien kein verlässlicher Partner mehr“, glaubt Schuler, der die Entwicklungen der Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley für den Bayerischen Rundfunk verfolgt. Zur Pandemie-Zeit sagte Campbell Brown noch, der Konzern nehme seine „publizistische Verantwortung unglaublich ernst“. Sie sei „stolz auf die Arbeit, die wir geleistet haben“. Nun sieht es so aus, als ob Brown sich nur noch um Partnerschaften mit Unterhaltungsmedien und Sport-Events kümmern soll; für eine Stellungnahme war sie nicht erreichbar.

Der Rückzug aus den Kooperationen mit Verlagshäusern sei schon im Frühjahr 2022 eingeleitet worden, glaubt Tech-Experte Schuler: „Der Konzern baut am Metaverse und versenkt dort Milliarden-Summen. Außerdem hat man Bammel vor den Wettbewerbshütern in den USA und EU bekommen, wenn man einzelne Verlage – vorsichtig ausgedrückt – ‚sponsert‘“, so Schuler. Die Kooperationen mit Medienhäusern seien offenbar eher als eine „Befriedungsaktion“ gedacht gewesen, um sich Ruhe vor seinen Kritikern zu erkaufen, „die auch mal gerne in Brüssel bei der Wettbewerbskommission vorstellig wurden“. Offiziell heiße es Schuler zufolge in Menlo Park: „Die News-Stories hätten nicht so viele Interaktionen erzeugt wie persönliche Inhalte der miteinander verbundenen User.“

Unterstützung für Nachrichten fallen gelassen

Der international umtriebige Journalismus-Vordenker Jeff Jarvis charakterisiert das Verhältnis von Nachrichtenmedien und Technologiekonzernen auf Anfrage so: „Es wirkt wie Sadomasochismus, denn jede Seite attackiert die andere, gleichzeitig will man aber etwas voneinander bekommen.“ Bezogen auf die Verlage habe das bedeutet, dass diese die zusätzliche Reichweite nicht für ausreichend hielten, sondern darauf bestünden, dass die Tech-Unternehmen ihnen zusätzlich Geld schuldeten. Darum hätten diese Verlage für eine protektionistische Gesetzgebung lobbyiert.

Als nun der Medienmogul Rupert Murdoch über sein Unternehmen in Australien für eine verlagsfreundlichere Gesetzgebung getrommelt habe, um Zahlungen der Tech-Firmen zu erhalten, hätte Facebook die Verbreitung von Nachrichten dort gestoppt – „und herausgefunden, dass man ganz gut ohne auskommt“, so Jarvis. Schließlich habe man sich entschieden, auch angesichts von Gesetzgebungsvorhaben in der EU, in den USA und Kanada, die Unterstützung für Nachrichten fallen zu lassen.

Dazu kommt, dass die Pandemie die rasant wachsende Creator-Ökonomie in Schwung gebracht hat, mit der sich der Konzern nun stärker anfreunden möchte: Deren Videos auf Plattformen wie TikTok oder Instagram ziehen vorwiegend junge Nutzer an und bringen im Zweifel mehr Werbeumsätze als Nachrichten, die vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten negativer Natur sind. „Ganz ehrlich“, schreibt auch Jarvis: „Ich glaube, dass sie ohne Nachrichten glücklicher werden, wenn sie zu ihren Ursprüngen zurückkehren, zu Katzen und Partys.“

Nichtsdestotrotz: Viele Projekte, die Facebook über die Jahre gefördert hat, würden einige der Geförderten wohl als außerordentlich positiv bewerten. Der Konzern hat in vielen Redaktionen und Organisationen für einen Heureka-Moment gesorgt, der viel Gutes hat gedeihen lassen und auch Innovatives für eine angeschlagene, von Selbstzweifeln geplagte Branche geleistet hat, die sich aber – eben dank solcher Förderungen – immer wieder berappeln konnte. Hinzu kommt, dass diese Projekte durch ein Team aus kompetenten Leuten vorangetrieben wurden, die Facebook eigens anheuerte und die tatsächlich etwas vom Nachrichtengeschäft verstanden.

„Wir arbeiten gut mit Meta zusammen“ (FAZ)

Entsprechend überraschend kamen deshalb dem Vernehmen nach die Einschnitte beim europäischen Team für News Partnerships. Der vor knapp sechs Jahren vom „Spiegel“ gewechselte Topmanager Jesper Doub war erst wenige Monate zuvor zum Direktor für News Partnerships weltweit (mit Ausnahme der USA) ernannt worden. Doub war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, sein Verbleib im Unternehmen Meta scheint derweil ungeklärt. Mitarbeiter wie Torsten Beeck („Strategic Partner Manager“), der ebenfalls vom „Spiegel“ kam, verabschiedeten sich via LinkedIn von Meta, antwortete aber ebenfalls nicht auf unsere Anfragen.

Doch wie geht es für die Medienunternehmen nun weiter? Auf Anfrage gibt man sich in den Häusern gelassen. „Unsere globale Kooperation läuft weiter sehr gut“, sagt beispielsweise Axel Springer. Auch Thomas Lindner, Geschäftsführer der FAZ, bestätigt auf Nachfrage: „Wir arbeiten gut mit Meta zusammen.“

Die Stimmen aus den USA klingen anders. Jack Wagner, ein Unternehmensberater aus New Jersey, schrieb in einem Kommentar: „Natürlich tut es mir leid für unsere Freunde aus der Branche, aber wir müssen bessere Finanzierungspartner für Nachrichten finden. Außerhalb von Facebook und Google.“ Die Nachrichtenanbieter, so Wagner, „müssen sich zusammenschließen und eine Plattform aufbauen, von der sie alle profitieren können“.

In strategischer Hinsicht ändere sich für Medienunternehmen „in gewisser Weise nicht viel“, sagt der Journalismus-Prophet Jarvis. „Die Herausforderung für Nachrichtenverlage bestand schon immer darin, nachhaltige Modelle zu finden – und das Betteln oder Erpressen von Tech-Unternehmen um Geld war noch nie ein nachhaltiges Modell.“ Ab sofort würden sie noch weniger Hilfe bekommen – weniger Traffic und Publikum von Meta und potenziell weniger Hilfe von Google – lautet Jarvis eher ernüchternde Prognose. In der Krise zeigt sich eben oft der wahre Charakter – sowohl geschäftlicher wie menschlicher Beziehungen.

Transparenzhinweis: Dr. Stephan Weichert hat über mehrere Jahre mit dem News Partnerships Team von Meta zusammengearbeitet und für die Hamburg Media School (HMS) in den Jahren 2017 und 2019 Drittmittel in Höhe von mehreren Millionen Dollar zur Umsetzung eines von ihm entwickelten Weiterbildungsprogramms für Journalisten eingeworben, die der HMS zugeflossen sind. Christian Meiers Arbeitgeber Axel Springer kooperiert mit Meta im Rahmen von Facebook News.

Der Beitrag wurde in einer früheren Version veröffentlicht in: „Medium Magazin“, 01/2023, S. 52–53.

Bildnachweis: KI-Generiert. NEWS DESERTS: KI-Zyklus zur Expansion von Nachrichtenwüsten und Pressesterben #8 © 2024 VOCER Institut für Digitale Resilienz

Christian Meier

Christian Meier ist seit 2015 Medienredakteur bei der „Welt“. Seine berufliche Laufbahn umfasst verschiedene Stationen. Als freier Journalist schrieb er u.a. für „Welt am Sonntag“, „die Zeit“, den „Tagesspiegel“, die NZZ und das „Medium Magazin“. Meier absolvierte ein Studium der Amerikanistik, Wirtschaftswissenschaften und Geschichte in Münster, Seattle (USA) und Berlin.

Foto: Privat

Stephan Weichert

Dr. Stephan Weichert ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler. Gemeinsam mit dem Journalisten Alexander von Streit leitet er das unabhängige gemeinnützige VOCER Institut für Digitale Resilienz. Er ist Geschäftsführer und Leiter der Bildungsprogramme in der DIALODGE, einem neuen Resilienz- und Demokratiezentrum in Mustin bei Ratzeburg (Schleswig-Holstein) sowie Ko-Projektleiter des von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) geförderten Forschungs- und Datenbankprojekts NPJ.news, das sich mit gemeinnützigem Journalismus befasst.

Foto: Martin Kunze

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