Hyperlokalmatadorin
Wie geht gemeinwohlorientierter Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Innovations-Projekte im Journalismus. Diesmal: „Eimsbütteler Nachrichten“.
Was ist das?
Urkundlich wird „Eymersbuttele“ erstmals 1275 erwähnt: Ein Mini-Dorf, in dem vor den Toren Hamburgs die Landwirtschaft den niederdeutschen Alltag bestimmt. Heute gilt der Stadtteil, zugleich einer von sieben Bezirken der Hansestadt, als pulsierender Kiez der Kunst- und Kreativszene, die sich gern in einer der aufgemotzten Kaffeeröstereien, Eisbuden oder Boutiquen blicken lässt, um La Dolce Vita zu frönen. Die Lebensfreude der Eimsbütteler, gepaart mit ihrem unnachgiebigen Lokalpatriotismus, sorgen dafür, dass sich die „Eimsbütteler Nachrichten“ so tapfer am Platz halten, während andere hyperlokale Projekte in der Republik längst das Zeitliche segneten.
Wer steckt dahinter?
Chefredakteurin des dreimonatlich erscheinenden Print- und Online-Magazins ist Julia Haas (oben im Bild), Gründer und geschäftsführender Kopf Jan Hildebrandt: „In keinem anderen Hamburger Bezirk gibt es ein vergleichbares Stadtteilmagazin, das fast ausschließlich selbst produzierte Inhalte, tiefe Recherchen und unabhängigen Journalismus bietet“, sagt der Journalismusunternehmer Hildebrandt, wohlwissend, dass er entgegen dem allgemeinen Branchentrend etwas erreicht hat, wovon viele nur zu träumen wagen: Als Hyperlokalmatadore sind Hildebrandt, Haas und ihr Redaktionsteam aus „Eimsbusch“ jedenfalls nicht wegzudenken.
Warum braucht es das?
Lokaljournalismus stirbt: „Selbst in der Medienstadt Hamburg gibt es auf Bezirksebene kaum noch sublokale Berichterstattung“, weiß Hildebrandt. „Als die ‚Eimsbütteler Nachrichten‘ gegründet wurden, gab es seit Jahren kein Medium mehr, das die Bezirkspolitik in Eimsbüttel regelmäßig covert.“ Gemeint sind die angeschossenen Platzhirsche „Hamburger Abendblatt“, „Morgenpost“ und die 2013 eingestellte Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“. Immerhin zähle der Bezirk über 275.000 Einwohner, in der Bezirksversammlung werde „über vieles entschieden, was die Menschen in ihrem Alltag meistens mehr betrifft als die große Weltpolitik“. Diese Lücke hat Hildebrandt vor über 12 Jahren kurzerhand selbst geschlossen.
Was ist das Besondere?
„In unserem Online-Magazin berichten wir tagesaktuell über die wichtigen politischen und kulturellen Themen des Bezirks und haben immer ein Auge auf die Fragen und Anregungen unserer Leserschaft“, sagt der Gründer. Wenn man einige Stadtteilbewohner darauf anspricht, kommen vielsagende Antworten, denen eines gemein ist: Derlei handgemachter Journalismus in Form von „Interviews, Porträts und Reportagen mit viel Liebe zum Detail“ (Hildebrandt) passt nicht nur gut zum Image, sondern auch zum entschleunigten Lifestyle derer, die im Viertel leben, wohnen und arbeiten.

Wie finanziert sich das?
Bisher klassisch über Werbung und Abos. Bewundernswert an Hildebrandt ist, dass er nicht müde wird, neue Beiboote zu Wasser zu lassen, wie es auch die großen Medienhäuser tun: So startete er Ende 2023 „LOKL Hamburg“ als Medienkooperation von „Eimsbütteler Nachrichten“ und „Mopo“ zur Stärkung des lokalen Einzelhandels. Beide Publisher fungieren als vertrauenswürdige Werbeplattform, indem Leser über passende „Content Commerce Ads“ die beworbenen Produkte direkt auf der Website in den Warenkorb legen können. Bislang sind an die 50 Hamburger Hersteller mit lokalen Produkten vertreten. Es gibt sogar ein eigenes Warehouse, sozusagen ein „Amazon für die Neighbourhood“ – nur eben nachhaltig-nachbarschaftlich organisiert und damit gemeinwohlorientiert motiviert.
Hat das Zukunft?
LOKL soll nach dem Motto ‚Support your local business‘ Nachbarschaften resilienter machen und das Klima schützen. Eine Win-Win-Situation: Denn gerade in demokratiegefährdeten Zeiten wie diesen sind Medien als vertrauensvolle „Community Builder“ gefragt. Für Hildebrandt gehören dazu Beispiele wie die Hilfs-Koordinationsplattform „Eimsbüttel hilft“ während der Flüchtlingskrise 2015 und die Initiative „Eimsbüttel retten“ in der Coronapandemie, aus der die Idee für einen digitalen Marktplatz hervorging. Nicht nur den Reichen und Schönen das Gefühl zu geben, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich – und sei es über ihr Konsumverhalten – unentwegt einbringt, ist für den Macher der „Eimsbütteler Nachrichten“ Teil des Konzepts.
Eimsbütteler Nachrichten

Gründung: 2013 (Eimsbütteler Nachrichten), 2023 (LOKL)
Unternehmensform: UG
https://www.eimsbuetteler-nachrichten.de
Foto: Eimsbütteler Nachrichten
Stand: Juli 2025
Nonprofit-Pionier:innen
Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.