Babylon in der Hosentasche

Wie geht gemeinnütziger Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im Journalismus. Diesmal: Kompreno.

Was ist das?

„Neue Horizonte. Grenzenlose Vielfalt, unendliche Entdeckungen“ – man fühlt sich erinnert an den Vorspann aus „Raumschiff Enterprise“, wenn Kompreno seine babylonische Journa-lismus-App vermarktet. Babylonisch deshalb, weil Kompreno laut CEO Jochen Adler „aus ganz Europa die besten Texte zusammenstellt, ohne Sprachbarrieren. Wir arbeiten mit hochwertigen Quellen vom gesamten Kontinent und übersetzen in fünf Sprachen.“ Ins Deut-sche übersetzt werden die Texte mit der Übersetzungs-KI DeepL.

Wer steckt dahinter?

Jochen Adler ist alleiniger Geschäftsführer und Gründer des Start-ups mit Sitz in Frankfurt. Der ausgebildete Fachinformatiker und ehemalige Berater arbeitete bis zur Gründung von Kompreno im Jahr 2020 – der Launch ging im April 2022 über die Bühne – in der IT-Entwicklung eines großen Softwaredienstleisters. Dabei sei er „natürlich in Berührung mit Sprachtechnologie und KI“ gekommen. Über sein Unternehmen sagt der 48-Jährige: „Wir selbst sind eher Netzwerk als klassische Organisation: ein interdisziplinäres, verteiltes Team, und unzählige Unterstützer schon vor den ersten unternehmerischen Schritten. Sonst hätte ich als Gründer keine Chance gehabt.“

Warum braucht es das?

Internationale Presseartikel in einer einzigen Übersetzungs-App (und Website) zu überset-zen und auszuspielen, ist ein nicht ganz taufrisches Produktversprechen: Seit dem „Courrier international“, der französischsprachigen Presseschau von über 900 Publikationen weltweit, hat sich die Presse-Rezeption auf Europa-Ebene zudem nicht nennenswert weiterentwickelt. „Gleichzeitig wird es im Social-Media-Zeitalter schwerer, hinter Empörungswellen die Sub-stanz zu erkennen, oder zwischen Meinungen und Fakten zu unterscheiden“, erklärt Adler. Deshalb brauche es „auf allen Ebenen Entscheider*innen – Vorwärtsdenker, Changemaker, Bias-Breaker – die handlungsfähig bleiben“. Die so dringend benötigten „Zusammenhänge, Hintergründe, Kontext und einen unaufgeregten, frischen Blick“ wolle sein Produkt liefern.

Was ist das Besondere?

Natürlich die internationale Perspektive: Ob vom Balkan oder aus Lateinamerika, Kompreno will den Blick von außen auf die Ereignisse zu Hause schärfen. Und zugleich die Binnenper-spektiven in den jeweiligen Ländern konturieren, die aufgrund schwächelnder Korresponden-tennetzwerke zunehmend lückenhaft werden. Es geht laut Adler um das Fin-den „nützlicher Texte“, von denen (über alle fünf Sprachen hinweg) bis dato über 7.500 veröffentlicht wur-den: „Kein User Generated Content, keine Resonanzräume, sondern semantische Sprachtechnologie, die den Texten an die Substanz geht – egal ob sie konservativ sind oder progressiv, ‚links‘ oder ‚rechts‘.“

Wie finanziert sich das?

Kompreno ist werbefrei. Die App soll sich – dank der Beteiligung renommierter Medienhäu-ser – aus dem Lesermarkt heraus finanzieren. Zwei Dutzend Medienhäuser sind bereits Partner des Startups, etwa „Le Monde“ (F), „Die Zeit“, „eastwest“ (IT), „MO*“ (BE) und „Prospect“ (UK). Derlei Direktfinanzierung könnte jedoch in der Breite schwierig bleiben, der Abo-Markt journalistischer Apps gilt als durchsättigt.

Hat das Zukunft?

Gründer Adler will ein Angebot schaffen, „das den Wert von hochwertigem Journalismus vermitteln hilft“. Allerdings: Diesen Anspruch verfolgen viele journalistische Gründer, von denen nur wenige wirtschaftlich erfolgreich sind. Denn die Kuratierung von Presseerzeugnis-sen bleibt personalintensiv – und damit teuer. KI-Technologien könnten diese Kosten aber mittelfristig senken. Zudem gibt es einen Trend zur resilienteren Mediennutzung: weg vom hektischen News-Overkill hin zu ausgeruhten und personalisierten Informationen. Diesen Trend würde eine App wie Kompreno theoretisch bedienen. Außerdem denkt Jochen Adler in letzter Konsequenz über die Umwandlung von Kompreno in ein gemeinnütziges Unterneh-men nach – durchaus im Einklang mit dem Ansinnen des eigentlichen Medienprodukts: „Es spielt keine Rolle, ob wir wie derzeit 27 Medienpartner haben, aus zwölf Ländern, die in neun Sprachen publizieren – oder doppelt so viele, oder auch zehnmal so viele. Die grenzen-lose Vielfalt kann ständig weiterwachsen.“

KOMPRENO

Gründung: 2020
Unternehmensform: GmbH
kompreno.eu

Foto: Olaf Hermann

Nonprofit-Pionier:innen

Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.