Mehr Wumms im Lokalen
Wie geht gemeinnütziger Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im Journalismus. Diesmal: Rums.
Was ist das?
RUMS ist „Neuer Journalismus für Münster“: Leser:innenbriefe, Kommentare, analoge und digitale Veranstaltungen, Umfragen – so will RUMS noch mehr Wumms in das Leser:innengespräch bringen. Im Mitmachen und Miteinanderreden steckt das große Innovationspotential des lokalen Digitalangebots. Für RUMS bedeutet das: „Wir schreiben darüber, was sich in der Stadt verändert, wo es hakt und wie es besser werden kann“, heißt es auf der Website. RUMS-Produkt-manager Marc-Stefan Andres möchte jedenfalls weg vom Negativismus der gängigen Berichterstattung – hält konstruktiven Journalismus allerdings für einen „Wischiwaschi-Begriff“. Seine Leute wollten Lösungen aufzeigen – „aber keine Aktivisten sein“.
Wer steckt dahinter?
Die Menschen hinter RUMS treibt laut Selbst-beschreibung drei Dinge an: „[U]nsere Verbindung zu Münster, der Wunsch, zu erfahren, was in der Stadt passiert – und die Überzeugung, dass guter Journalismus das Leben bereichern und verbessern kann.“ Neben Geschäftsführer Götz Grommek und den Mitgründern Christian Humborg und Marc-Stefan Andres besteht das mittlerweile 15-köpfige Team unter anderem aus Redaktionsleiter Ralf Heimann und einer Vielzahl prominenter Kolumnist:innen, etwa Michael Tillmann, Anna Stern, Christoph Hein, Dina El-Omari und dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Einer der finanziellen Unterstützer der ersten Stunde ist der in Münster geborene Klaus Brinkbäumer, ehemaliger Spiegel-Chef und seit 2021 Programmdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig.
Warum braucht es das?
In der Tiefe sei RUMS schon heute eine ernsthafte Alternative zur Lokalzeitung: „Wir erreichen alle Multiplikator:innen und Aktive in Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft. Wenn wir weiterwachsen, können wir auch eine Alternative in der Breite werden“, sagt Andres. Dabei komme es darauf an, sich auch weiterhin auf den Journalismus zu fokussieren und mit dem Team den Journalist:in-nen den Rücken freizuhalten – so könne auch in Zukunft ein funktionierendes Geschäftsmodell etabliert werden. Davon abgesehen: Lokaljournalismus hat Zukunft, wenn er sich auf das konzentriert, was nötig ist: eben das Lokale.
Was ist das Besondere?
„Wir fokussieren uns einzig und allein auf das Lokale und lassen alles andere weg“, sagt RUMS-Gründer Andres. Außerdem gehe das Lokalmedium neue Wege, indem die Redaktionsmitglieder „tiefer und länger recherchieren und Themen so stärker durchdringen“, via Leser:innenbriefe, Kommentarfunktion, anonymer Briefkasten, Mails, Telefonaten, analogen und digitalen Veranstaltungen, Umfragen „stärker und ernsthaft mit den Leser:innen kommunizieren“ und „neue Themen setzen, die so im Lokaljournalismus bisher weniger stattfinden.“ Beispiele: Klima, Wohnen, Verkehr, Bildung, Gender. Allerdings haben inzwischen auch viele Lokalzeitungen gerade diese Themen für sich entdeckt – bieten regelmäßige Klima-Seiten und Schwerpunkte zum Thema „Wohnen/Immobilien“. RUMS will auch deshalb in Zukunft noch stärker gemeinwohlorientiert auf Lesernähe setzen.
Wie finanziert sich das?
Dass sich wirtschaftlicher Erfolg mit Innovationen im Lokaljournalismus zwingend einstellt, wäre ein Trugschluss. Löhne und Honorare sind allerorten moderat – was auch für Startups keine Besonderheit ist. Fast immer ist das Hauptmotiv vieler hyperlokaler Startup-Gründer:innen purer Idealismus. Denn: Mit einigen 100 Abonnent:innen, die monatlich zwischen fünf bis 25 Euro zahlen, kommt – wenn überhaupt – gerade einmal ein ordentliches Gehalt für eine Redakteursstelle zusammen, brutto wohlgemerkt. Es wundert daher nicht, dass kaum ein:e Akteur:in proaktiv über Erlöse und Umsätze spricht. Redaktionsleiter Andres sieht RUMS mit derweil 2.100 zahlenden Abonnent:innen aber fest „auf der Landkarte verankert“. Fakt ist auch: Die RUMS-Abos haben ein Plateau erreicht, die Zahlen stagnieren. Deshalb hat sich die Redaktion entschlossen, seit März 2023 nicht mehr werbefrei zu sein – um finanziell überleben zu können. Darüber hinaus werden Optionen eines Wechsels in die Gemeinnützigkeit geprüft, um das Fördermittelspektrum zu erweitern.
Hat das Zukunft?
Die Medienbranche erlebt eine Welle lokaljournalistischer Gründungen. Sie treten an gegen den vermeintlichen Einheitsbrei und die Mono-pole der Lokalverlage. Bei RUMS fällt auf: Das Innovative lässt sich weniger bei den klassischen journalistischen Inhalten finden, sondern vor allem in einer ansprechenden Aufbereitung und der gekonnten Vermarktung digitaler Lokalformate wie Podcasts und Newsletter. Wenn man Marc-Stefan Andres fragt, was nach den ersten Jahren vom Hype übrigbleibt, gibt dieser sich gelassen: „In Münster gibt es zwei lokale Tageszeitungen, die wort- und bildgleich von derselben Redaktion gefällt werden. Es braucht RUMS als Alternative, um mehr Pluralität der Meinungen zu zeigen, einseitige Berichterstattung zu verhindern und gleichzeitig mehr Tiefe und Qualität in den Lokaljournalismus zu bringen.“ RUMS wolle zeigen, dass „Lokaljournalismus eine Zukunft haben kann, wenn er sich neu erfindet und mit einem funktionierenden Geschäftsmodell gedacht wird.“ Als Fernziel benennt er daher auch die Gemeinnützigkeit, „dafür müsste aber die Regierung Journalismus erst mal als gemeinnützig anerkennen, sonst ist uns das zu vage“.
RUMS
Gründung: 2020
Unternehmensform: GmbH
rums.ms
Foto: Nikolaus Urban
Nonprofit-Pionier:innen
Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.