Tabea Rößner

Medienpolitische Sprecherin von Bündnis90/DIE GRÜNEN

Wie sinnvoll ist eine stärkere Gemeinwohlorientierung im Journalismus?

Journalismus sollte generell dem Gemeinwohl dienen. Denn er bildet die Grundlage dafür, dass Menschen sich ihre Meinung frei bilden können. Dafür muss Journalismus bzw. die Medienlandschaft vielfältig sein.

Welche politischen Vorbehalte stehen aus Ihrer Sicht der Anerkennung von Journalismus als gemeinnütziger Zweck im Sinne der Abgabenordnung primär im Weg?

Eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung setzt zunächst einmal voraus, dass Journalismus nicht gewinnorientiert betrieben wird. Vorbehalte gibt es gerade in der aktuellen Zeit, dass auch extremistische Publikationen unter dem Vorwand der Gemeinnützigkeit gefördert werden könnten. Daher müssen Wege gefunden werden, wie das ausgeschlossen werden kann.

Welche medienpolitischen Maßnahmen sind notwendig, um die Medienvielfalt zu fördern?

Voraussetzung für eine vielfältige Medienlandschaft ist die Absicherung der Staats- und Gruppenferne des Rundfunks sowie der Unabhängigkeit der Presse. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt zudem die Gewährleistung der Binnenvielfalt, also einer ausgewogenen Vielfalt im Gesamtprogramm. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss weiterhin funktionsgerecht finanziert werden. Private Medien bedürfen ausreichender Refinanzierungsmöglichkeiten am Markt. Wo diese nicht gegeben sind, muss über eine adäquate, strikt inhaltsneutrale Förderung nachgedacht werden. Diese Notwendigkeit besteht im Hinblick auf die Presse, insbesondere die Lokal- bzw. Regionalpresse, da es den Pressehäusern bislang nicht gelungen ist, Verluste im Printbereich durch profitable digitale Geschäftsmodelle zu kompensieren. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob eine Zustellförderung, wie sie im Moment gefordert wird, das probate Mittel der Unterstützung der Presse ist angesichts der Notwendigkeit, zukunftsfeste digitale Geschäftsmodelle zu etablieren. Als weitere Säule können gemeinnützige Formen von Journalismus zur Medienvielfalt beitragen.

Tabea Rößner

Tabea Rößner (Jahrgang 1966) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und medienpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Zuvor arbeitete Rößner von 1991 bis 2009 als freiberufliche Journalistin, Autorin und Redakteurin, zuletzt beim ZDF. Sie ist seit 1986 Mitglied der Partei und aktuell Ausschussvorsitzende des Digitalausschusses des Bundestags (Legislaturperiode 2021-2025).

Foto: Stefan Kaminski

Das Format: 3 Fragen – 3 Antworten

Herausforderungen, Erfahrungen, Chancen: In Kurzinterviews sprechen wir mit Akteur:innen in der Medienlandschaft zur Finanzierung und Förderkulisse von Journalismus sowie zu Fragestellungen rund um gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus.