Helden des Zusammenhalts

Wie geht gemeinnütziger Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im Journalismus. Diesmal: Kohero.

Was ist das?

„Kohero“ ist ein gemeinnütziges Medium über Flucht und Migration. Zweimal jährlich erscheint der 36-Seiten umfassende Printtitel, ergänzt um wöchentliche „migrationsnews“, einen zweimal monatlich erscheinenden Newsletter und die beiden Podcasts „Zu.flucht“ und „Curryon“. „Kohero“ kommt aus der internationalen Kunstsprache Esperanto und bedeutet „Zusammenhalt“. Die Gänsefüßchen im Logo von Kohero spielen auf die teils wörtlich wiedergegebenen Fluchtgeschichten von Migranten an, die sich in den redaktionellen Inhalten widerspiegeln: „Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte sind in den Medien bisher deutlich unterrepräsentiert“, sagt Hussam Al Zaher. Das möchte der Kohero-Gründer ändern, „denn jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen.“ So sei auch das Wortspiel in „Kohero“ als Anspielung auf das englische „Hero“ durchaus gewollt: Helden des Zusammenhalts.

Wer steckt dahinter?

Natalia Grote als Co-Chefredakteurin für Online und Print und Sarah Zaheer als Leiterin der Podcast-Ableger ergänzen das Leitungsteam um Geschäftsführer Al Zaher. Daneben erarbeiten freie und ehrenamtliche Autorinnen die redaktionellen Inhalte, bespielen Social-Media-Kanäle, besorgen Gestaltung, Lektorat, Öffentlichkeitsarbeit und organisieren das Spenden- und Eventmanagement. Die achtköpfige Redaktion sitzt in der Nähe des Hamburger Audimax inmitten des historischen Grindelviertels, eines vibrierenden Uni-Quartiers und Zentrums des jüdischen Lebens.

Warum braucht es das?

Es wird viel über Migranten berichtet, es gibt aber nur wenige Angebote für sie. Ihre Kulturpraktiken, Sicht- und Denkweisen kommen in deutschen Medien kaum vor. Das ist sträflich, weil der Bevölkerungsanteil an Zugewanderten stetig wächst und neue Plattformen für Interkulturalität schon aus Gründen der Repräsentativität dringend gebraucht werden. Dieses journalistische Vielfaltsdefizit lässt sich vor allem bei der kulturellen Aneignung finden, etwa in Bezug auf Themen wie Sport, Gesundheit, Klima oder Schönheitsideale, das Vereinsleben und den Heimatbegriff. Solche inhaltlichen Schwerpunkte setzt „Kohero“ gezielt, um einen – wie Al Zaher es nennt – „Journalismus für ein Miteinander“ zu machen, der „community-orientiert, crossmedial und konstruktiv“ die fehlenden Betrachtungswinkel ausgleichen kann.

Was ist das Besondere?

Für die Kohero-Macher steht seit der Gründung 2017 die „Perspektive geflüchteter und migrierter Menschen“ im Fokus: „Wir schreiben von und für diejenigen, die im Journalismus unterrepräsentiert sind“, sagt Al Zaher. Für den 35-jährigen Journalisten aus Syrien stehen dabei aber nicht nur Fluchtgeschichten im Vordergrund. Er will vor allem das alltägliche Leben von Geflüchteten in Deutschland sichtbar machen: Was bewegt sie? Wovon träumen sie? Al Zaher will ein Netzwerk aufbauen, um möglichst viele der über 20 Millionen Eingewanderten in den Austausch zu bringen, damit deren Gedanken und Stimmen hierzulande Gehör finden.

Wie finanziert sich das?

Zu 70 Prozent aus privaten Spenden. Einer der treuesten Großförderer ist etwa das Hamburger Logistikunternehmen Hapag-Lloyd. Eine weitere Rolle bei der Geldbeschaffung spielen laut Al Zaher Kooperationen und Formate wie Workshops und Veranstaltungen sowie Förderungen. Zum Kreis der bisherigen Förderer gehören Deutsche Postcode Lotterie, Hertie Stiftung, ZEIT-Stiftung. Außerdem die Bürgerstiftung Hamburg, die das „Schreibtandem“ auslobt, ein Stipendium, das deutschsprachige und nach Deutschland eingewanderte Menschen nicht nur finanziell unterstützt, sondern regelmäßigen Austausch mit Medienprofis anbietet.

Hat das Zukunft?

Migration und Flucht seien bislang häufig Nischenmedien überlassen, obwohl Deutschland schon lange eine Einwanderungsgesellschaft ist. „Diese Themen betreffen immer mehr Menschen, die mediale Repräsentation einfordern und benötigen“, sagt Al Zaher. Zahlen, Daten, Fakten und Hintergründe rund um Teilhabe wie bei Kohero lieferten nur wenige. Deren journalistische Angebot ist frei im Netz verfügbar, das Heft erhalten alle Spender kostenlos. Al Zaher plant aber, das Printmagazin über kurz oder lang über den Kohero-Shop zu verkaufen.

KOHERO

Gründung: 2017
Unternehmensform: gGmbh
kohero-magazin.de
Bildnachweis: Kohero

Nonprofit-Pionier:innen

Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.