Digitale Denkpause

Wie geht gemeinnütziger Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im Journalismus. Diesmal: „Think Twice“.

Was ist das?

Think Twice: „Denk zweimal nach“. Der Name des brandneuen Angebots für Jugendliche und junge Erwachsene ist nicht grundlos als Appell formuliert: In den sozialen Netzwerken kursieren seit Jahren hinterhältige Fake News, die sich gezielt an Vertreter der Gen Z richten. Entsprechend wächst dort die Zahl an teils überpädagogisierenden Formaten, diese nachrichtenentwöhnte Zielgruppe zu erreichen. Mit „Faktencheck-Basics als Video“ schickt sich die dpa nun an, in Social-Media-gerechten Häppchen der Verbreitung von Desinformation etwas entgegenzusetzen, um die Medienkompetenz der jüngeren Generation zu stärken: „Think Twice soll dazu beitragen, die Gen Z sensibler für das Thema Falschinformationen in sozialen Netzwerken zu machen und sie dabei unterstützen, vermeintliche Aufreger-Themen kritischer zu hinterfragen“, sagt die Projektverantwortliche Teresa Dapp.

Wer steckt dahinter?

Hinter dem Peer-to-Peer-Projekt verbirgt sich laut Dapp ein Konsortium aus Factchecking-Organisationen, die sich an der Verbreitung der Erklärvideos von Think Twice beteiligen. Ne-ben der von Dapps geleiteten Faktencheck-Abteilung der dpa und der Initiative „UseTheNews“ sind das finnische Netzwerk „Faktabaari“ und das katalonische Projekt „Verificat“, die jeweils in ihrer Landessprache publizieren, mit dabei. Unterstützt wird das Projekt außerdem von der gemeinnützigen Medienkompetenzinitiative „Lie Detectors“ mit Sitz in Brüssel, die Kinder und Jugendliche dabei unterstützt, manipulative Absichten in sozialen Netzwerken zu enttarnen.

Warum braucht es das?

Angesichts der Fülle an Erfundenem im Netz begründen sich Anliegen und Dringlichkeit eines solchen Projekts fast von selbst: Junge User greifen in ihrer digitalen Info-Nutzung fast nur auf Schnipsel bei Tiktok, Instagram oder Youtube zurück. Es liegt nahe, sich diese als News-Quellen anzueignen. Fragwürdig ist allerdings, ob der Plapperstil von Instagram- und Tiktok-Influencern mit den redaktionellen Ansprüchen einer renommierten Nachrichtenagentur zusammenpasst: So produziert Think Twice seine Creator-Videos nach dem Prinzip „der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Doch ist mit der Social-Media-Schnitzeljagd ein offenkundiges Risiko verbunden: dass journalistische Inhalte im Meer der Desinformation beliebiger werden, weil sie sich nicht vom restlichen Content-Brei abheben.

Was ist das Besondere?

Der Wettkampf um Aufmerksamkeit ist härter geworden. Der 13-jährige Sohn findet das neue Angebot eher „krampfhaft“, es wirke „gestellt“. Vielleicht ist es daher bei Think Twice vor allem das Experiment, das zählt, um die für klassische Nachrichten „lost generation“ aus ihren Komfortzonen hervorzulocken. Denn viel mehr deformiert und zerstört werden kann Journalismus in sozialen Netzwerken ohnehin nicht. „Indem wir Medienkompetenz-Tipps im Tiktok-Stil anbieten, holen wir junge Menschen dort ab, wo sie sind“, sagt Dapp. Außerdem verfolge ihr Projekt ein kooperatives „Mitmach-Konzept“: „Wir wollen die jungen Menschen in der nächsten Projektphase ab April direkt einbinden und selbst zu Wort kommen lassen“.

Wie finanziert sich das?

Die Europäische Union fördert das bis September 2025 laufende Medienkompetenz-Projekt im Rahmen des Creative Europe Programms – aus Steuergeldern. „Das ist aber keine 100-Prozent-Förderung, sondern nur 70 Prozent der Kosten werden dadurch abgedeckt. Wir halten das Thema für relevant genug, um zusätzlich Ressourcen zu investieren“, bekräftigt Dapp.

Hat das Zukunft?

Digitale Desinformation verbreiten sich im Superwahljahr unkontrollierter denn je. Angesichts der neuesten Bedrohungen durch KI-Fakes im Netz sind Faktenchecks alles andere als trivial. Spätestens mit Ablauf der öffentlichen Förderperiode wird man wissen, ob das Projekt im Sinne einer pädagogischen Medienaufklärung für jüngere Zielgruppen eingeschlagen hat. Ob und wie sich die digitale Denkpause für die hochprofitable dpa rechnet, und wie das alles im Kontext der laufenden „Faktencheck-Kooperationen“ mit Tiktok, Google und Meta einzuschätzen ist, muss sich die dpa kritisch fragen lassen. „Wir arbeiten auf jeden Fall auf eine Fortsetzung hin und freuen uns auf weitere Projekte für Medienkompetenz“, sagt Dapp.

THINK TWICE

Gründung: 2024
Unternehmensform: GmbH
dpa.com/de/think-twice

Foto: dpa

Nonprofit-Pionier:innen

Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.