Welche gemeinnützigen Zwecke im Sinne der Abgabenordnung im deutschen Steuerrecht kommen für journalistisch tätige Organisationen in Betracht?

Im deutschen Steuerrecht werden gemeinnützige Zwecke in § 52 der Abgabenordnung (AO) definiert. Für journalistisch tätige Organisationen kann die Anerkennung durch das am Sitz der Organisation zuständige Finanzamt als gemeinnützig kompliziert werden. Traditionell werden journalistische Aktivitäten nicht explizit unter die gemeinnützigen Zwecke gefasst (im Übrigen auch in den USA nicht, wo es mittlerweile einen starken Sektor für Nonprofit-News gibt). Allerdings gibt es Bereiche innerhalb der in der Abgabenordnung aufgeführten gemeinnützigen Zwecke, unter denen journalistische Tätigkeiten plausibel subsumiert werden können, insbesondere wenn sie auf die Förderung von Bildung, Wissenschaft, Kultur, Verbraucherschutz oder die demokratische Staatsform ausgerichtet sind:

  • Förderung der Bildung: Journalistische Arbeit, die darauf abzielt, die Öffentlichkeit zu informieren und zu bilden, kann unter diesen Zweck fallen. Dies kann zum Beispiel durch die Aufklärung über wichtige gesellschaftliche, politische oder ökologische Themen geschehen. Hier wie auch bei allen weiteren denkbaren Zwecken aus § 52 der Abgabenordnung gilt allerdings: Die Auslegung, Journalismus – und speziell das geplante Angebot – diene primär Bildungszwecken, ist kein Selbstläufer. Es braucht eine triftige Begründung, die das zuständige Finanzamt überzeugt. Im Zweifel durch zusätzliche einschlägigere Bildungsangebote wie spezifische Veranstaltungen.

  • Förderung von Wissenschaft und Forschung: Journalistische Tätigkeiten, die wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsergebnisse vermitteln oder selbst in einer Art und Weise forschend ist und wissenschaftlichen Standards folgt, kann hierunter fallen. Ein Beispiel hierfür ist das Science Media Center, eine gemeinnützige GmbH, die als Intermediär zwischen Wissenschaft und Journalismus fungiert und harte Forschungsexpertise zu aktuellen Themen und Fragestellungen allgemeinverständlich für eine breite journalistische Zielgruppe einholt und aufbereitet.

  • Förderung der Kultur: Die Berichterstattung über kulturelle Themen oder die Erhaltung von kulturellem Erbe durch journalistische Arbeit kann als Förderung der Kultur angesehen werden. Hier sind beispielhaft Synergien mit dem vielfältigen ehrenamtlichen Bereich des kulturellen Schaffens in Metropolen, aber auch im ländlichen Raum zu beobachten, wo journalistische Angebote als Teil von gemeinnützigen Vereinen oder Stiftungen vorzufinden sind.

  • Förderung des Verbraucherschutzes: Journalismus, der sich auf Verbraucherthemen konzentriert, speziell mit investigativem Ansatz, leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit über Risiken und Probleme im Zusammenhang mit Produkten, Dienstleistungen und Geschäftspraktiken. Dies kann Verbraucher:innen befähigen, informierte Entscheidungen zu treffen und sich vor Schaden zu schützen. Unter anderem engagiert sich das gemeinnützige Online-Medium Netzpolitik.org in dieser Weise.

  • Förderung der demokratischen Staatsform: Hier wird es grundsätzlich: Natürlich können Medienorganisationen, die durch ihr journalistisches Angebot zur Stärkung der demokratischen Strukturen beitragen, beispielsweise durch politische Bildung, Förderung der Meinungsvielfalt oder die Unterstützung von Transparenz und Rechenschaft im öffentlichen Sektor, einen demokratiefördernden Zweck haben. Ob dieser allerdings von den zuständigen Finanzbehörden als primärer Organisationszweck anerkannt wird, bleibt fraglich und erfordert eine schlüssige Begründung und im Zweifel nachweisbare Kriterien, wie die Förderung der demokratischen Staatsform durch den praktizierten Journalismus konkret erfolgt.

NPJ-Einschätzung

Die Anerkennung journalistischer Tätigkeiten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung hängt stark von der spezifischen Ausrichtung und dem Nachweis ab, dass die Tätigkeit unmittelbar auf die Förderung eines der anerkannten gemeinnützigen Zwecke ausgerichtet ist. Die Finanzverwaltung und die Gerichte legen die Voraussetzungen hierfür im Einzelfall aus. Es gab in der Vergangenheit Diskussionen und auch Initiativen, das Steuerrecht dahingehend anzupassen oder zu präzisieren, dass die Gemeinnützigkeit von Journalismus explizit anerkannt wird, insbesondere im Kontext der Förderung von Informationsfreiheit und Demokratie. Organisationen, die eine Anerkennung ihrer journalistischen Arbeit als gemeinnützig anstreben, sollten sich daher genau über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen informieren.

Nonprofit-Wissen

Recht, Finanzierung, Status Quo: In den Texten der Rubrik „Nonprofit-Wissen“ geben wir sachliche Informationen zu den Rahmenbedingungen von Gemeinnützigkeit im Journalismus. Es fehlt eine wichtige Frage? Dann freuen wir uns über einen kurzen Hinweis (Kontakt zu NPJ.news).

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