Bon Appétit
Wie geht gemeinwohlorientierter Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Innovations-Projekte im Journalismus. Diesmal: „Wissenschaftsjournalismus to go“ von den „Riffreportern“.
Was ist das?
Der Medienkonsum verändert sich dramatisch, die Nachrichtenlage wird immerzu komplexer, dynamischer und eingetrübter von Desinformationskaskaden. In dieser Gemengelage sorgen besonders Reaktionen für Durchblick, die über Gesundheit, Wissenschaft, Bildung und Klima fundiert berichten und gleichzeitig nicht den Anschluss an ihre Leserschaft verlieren wollen. „Wissenschaftsjournalismus to go ist unser Service für Menschen mit wenig Zeit, aber großem Interesse“, sagt CEO Stefan Johannesberg. Sein Rezept: „Wir erstellen mit Hilfe von KI kurze, verständliche Zusammenfassungen unserer tiefgehenden Artikel – als Lesesnack im Alltag, eingebettet in unseren redaktionellen Qualitätsprozess.“ So bleibe „Wissenschaft zugänglich – auch zwischendurch.“
Wer steckt dahinter?
Johannesberg ist der Kopf der „KI-generierten, personalisierten Summaries“, das Technische verantwortet Sebastian Brink. Marie Louise Hansel flankiert als Projektmanagerin. Johannesberg ist gelernter Musikjournalist („Schwäbische Zeitung“), arbeitete als Product- und Portalmanager bei Gruner+Jahr und sammelte diverse Agenturerfahrungen, bevor er 2022 zu Riffreporter stieß, einer Genossenschaft freier Journalisten für Wissenschaft, Umwelt, Gesellschaft. „Wir sind ein kleines, eingespieltes Team – mit viel Praxisnähe und klarem Fokus auf die Bedürfnisse unserer Leser“, so der 49-Jährige.
Warum braucht es das?
Das Nutzerversprechen lautet, den Abonnenten der Riffreporter Artikelzusammenfassungen auszuliefern, die „leicht und zwischendurch – eben to go – konsumierbar sind“. Durch eine KI-Integration in deren CMS sollen aus aktuellen Wissenschaftsberichten, Interviews und Features so kurze Resümees mit den wichtigsten Kernaussagen generiert werden. „Immer mehr Leser kündigen laut unseren Daten nicht wegen schlechter Inhalte, sondern, weil sie sich überfordert fühlen. Wir wollen das ändern – und liefern einen niedrigschwelligen Zugang zu komplexen Themen“, sagt Johannesberg. Denn wer gute Inhalte anböte, müsse diese „auch in alltagsfreundlichen Formaten bereitstellen.“
Was ist das Besondere?
KI-generierte Zusammenfassungen sind bei vielen Online-Medien inzwischen gang und gäbe. Hier soll aber ein mehrstufiges Verfahren helfen, Inhalte mithilfe von KI zu individualisieren: „Unsere mehrstufigen KI-Summaries entstehen nicht automatisiert im luftleeren Raum: Jede Zusammenfassung wird von den Autor:innen geprüft und freigegeben“, sagt Projektinitiator Johannesberg. Abonnenten könnten per Nachqualifizierung ihre Vorlieben – Themen, Schwerpunkte – angeben, so dass das Angebot per Newsletter personalisiert wird und „jede und jeder genau die Inhalte bekommt, die relevant sind“.

Wie finanziert sich das?
Ermöglicht wird das Projekt durch den „WPK-Innovationsfonds“, einer Initiative der Wissenschaftspressekonferenz e.V. (WPK), in die verschiedene Stiftungen investiert sind. Der Fonds startete 2022 und endet dieses Jahr. Jährlich werden bis zu 300.000 Euro insgesamt bewilligt. Die Idee für „Wissenschaftsjournalismus to go“ erhält für 12 Monate 65.000 Euro. Johannesberg glaubt fest daran, dass sich sein Projekt als „Baustein für nachhaltigen, unabhängigen Wissenschaftsjournalismus“ langfristig tragen wird – „durch mehr Leserbindung, weniger Kündigungen und ein attraktiveres Abo-Angebot“.
Hat das Zukunft?
Appetithäppchen sind im Journalismus schon länger en vogue, um Schwerverdauliches unter die Leute zu bringen. Ob Longreads im Alltag der Nutzer wirklich gut ankommen, sei dahingestellt. Klar ist, dass gerade Qualitätsmedien, deren Geschäftsmodell auf ausgeruhten Geschichten basiert, in einer doppelten Zwickmühle sind: Sie erwarten, dass chronisch vielbeschäftige Menschen für ihren Journalismus viel Zeit mitbringen – und obendrein dafür zahlen. Doch Johannesberg ist zuversichtlich: „Wer heute Menschen erreichen will, muss ihnen helfen, Inhalte besser in ihren Alltag zu integrieren. Mit Wissenschaftsjournalismus to go schaffen wir das: Wir verbinden Qualität mit Zugänglichkeit und stärken so die Zukunft des unabhängigen, hintergründigen Journalismus.“
Wissenschaftsjournalismus to go

Gründung: 2025
Unternehmensform: Genossenschaft für freien Journalismus eG
Foto: Jenny Ziethmann
Stand: Juni 2025
Nonprofit-Pionier:innen
Die Wüste lebt: Pionier:innen arbeiten bereits an ihrer Version von gemeinnützigem Journalismus. Wie sieht das in der Praxis aus? Wir beleuchten in dieser Serie bestehende und in Gründung befindliche Nonprofit-Projekte im deutschsprachigen Journalismus.