Wissen aus erster Hand

Wie geht gemeinwohlorientierter Journalismus in der Praxis? Wir beleuchten bestehende und in Gründung befindliche Innovations-Projekte im Journalismus. Diesmal: Te.Ma.

Was ist das?

Die 2022 gegründete und im Sommer 2024 liquidierte Wissenschafts-Plattform te.ma sollte der täglichen Hybris polemisierender Social-Media-Debatten etwas entgegensetzen und einen digitalen Raum bieten, in dem sich Nutzende zu einem ausgeruhten Transfer von Sachargumenten treffen. „In regelmäßig neuen Themenkanälen stellt das Portal zentrale Inhalte aus Forschung und Praxis vor, schafft neue Perspektiven und deckt Zusammenhänge auf“, versprach der Startup-Macher Martin Krohs. Die Kanäle werden von Fachleuten kuratiert, Basis sind wissenschaftliche Erkenntnisse. Inhaltlich ging es etwa um „KI und Nachhaltigkeit“, „Gendergerechte Sprache“ oder den Ukraine-Krieg.

Wer steckt dahinter?

Der 1969 in Göttingen geborene Martin Krohs ist in der journalistischen Szene kein Unbekannter: Der studierte Philosoph hat zuvor das Osteuropa- Portal „Dekoder“ erfolgreich ans Netz gebracht, das zweimal mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Krohs selbst wurde 2015 vom „Medium Magazin“ zum „Entrepreneur des Jahres“ gewählt. Bei te.ma unterstützte ihn nun eine Truppe aus Jungwissenschaftlern, Journalisten und Kommunikationsleuten: „Genau wie das Portal sind auch die Macher ‚Hybriden‘“, sagt Krohs. Heißt: Die meisten seien in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen zu Hause.

Warum braucht es das?

Krohs sagt, ihn hätten die überhitzten Diskurse im Digitalen schon lange betrübt. Weil sie sich nicht auf solche polemischen Diskussionen einlassen wollten, verzichteten viele Wissenschaftler ganz darauf, in Netzdebatten mitzureden. Dabei würden Hintergrund und Kontexte im Diskurs immer wichtiger. „Es reicht nicht mehr, nur über die Aktualität informiert zu sein, um fundiert über politische und gesellschaftliche Fragen urteilen zu können“, sagt Krohs.

Was ist das Besondere?

Damit nicht jede Debatte über Reizthemen wie sprachliche Diskriminierung und Ukraine-Krieg gleich im Keim erstickt, braucht es Luft zum Atmen. Für einen unaufgeregten Austausch jenseits der-Twitter- und LinkedIn-Diskurse fehlen Wissenschaftlern die Möglichkeiten – und schlicht Ideen. Das Portal mit „radikal hybridem Charakter“ will Abhilfe schaffen, indem es „einen unmittelbaren Anschluss an die Fachdiskurse“ beflügelt, wünscht sich Gründer Krohs. Das Besondere: „Jeder Themenkanal wurde von drei Kuratoren betreut, die als Forscher – meist Doktoranden oder Postdocs – selbst in den betreffenden Disziplinen tätig sind.“ Hand in Hand kuratierten, schrieben, interviewten und ordneten Wissenschaftler und Journalisten ein.

Wie finanziert sich das?

Auch te.ma war nichtkommerziell – sprich als Nonprofit-Projekt – aufgesetzt und reihte sich ein in eine Phalanx von Neugründungen der vergangenen Jahre wie Veto, MedWatch (inzwischen ebenfalls eingestellt), Karla und Co. Finanziert hatte den Start von te.ma die Berliner Konvert Stiftung, die praktischerweise von Krohs selbst gegründet wurde. Später sollte sich die Plattform aus drei Geldquellen finanzieren: institutionelle Förderung durch Stiftungen, User-Spenden und Kollaboration mit universitären Forschungsinstituten. Das erste Projekt dieser Art mit dem Exzellenzcluster Maschinelles Lernen der Universität Tübingen war im Frühjahr 2023 gestartet. Finanziell gereicht hat es dennoch nicht: Krohs musste das Digitalangebot wegen Liquiditätsengpässen (vorläufig) einstellen.

Hat das Zukunft?

Im Aufbau neuer Plattformen liegen Genie und Wahnsinn oftmals nah beieinander. Gerade deshalb braucht es digitale Aficionados wie Martin Krohs, die groß denken und auch groß handeln. Ein wenig Publicity kann dem Wissenschafts-Netzwerk in der Anfangsphase indes nicht schaden. Auch wenn te.ma nicht für ein Massenpublikum gedacht und gemacht war, brauchte es im Medien- und Wissenschaftsbetrieb in diesem Fall offenbar zu viel Zeit, als dass Nutzende ein solches Angebot kolonisierten und sich zu eigen gemacht hätten. Dass es weiterhin neue Plattformen braucht, um die gleichförmigen Diskurse aufzubrechen, steht für Krohs trotz der Aufgabe von te.ma außer Zweifel: „Weil wir Hintergrundmedien brauchen, die einen direkten Kraftschluss zwischen Wissenschaften, Gesellschaft und Politik herstellen, und weil das Bewusstsein für diese Notwendigkeit in den vergangenen Jahren bei allen Beteiligten gewachsen ist: bei Universitäten, bei der Politik und bei den Usern selbst.“

TE.MA

Gründung: 2022; Einstellung: Sommer 2024
Unternehmensform: gGmbH
te.ma

Foto: Beat Schweizer

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